Auto: Potenzmittel und Anmache

Männer haben eine besondere Beziehung zu ihrem Auto. Nicht alle, aber immer noch ein recht großer Teil von ihnen. Besonders im paarungswilligen Alter (das ja eigentlich erst mit siebzig allmählich zu Ende geht), ist das Auto nicht einfach ein Fahrzeug zur bequemen Fortbewegung. Es dient vor allem als Ausdruck von Status. Und es signalisiert den Frauen auf subtile Art, ob der Kerl, der sie gerade anbaggert, eher ein Gewinner oder ein Loser ist.

Auch wenn jeder Mann genau das Gegenteil erzählt, Autoentscheidungen waren noch nie rationale Entscheidungen. Man braucht kein Fahrzeug, das fast ein ganzes Jahreseinkommen kostet, nur um die täglichen zwanzig Kilometer von der Wohnung zum Büro hinter sich zu bringen. So etwas kauft Mann sich aus völlig anderen Motiven und die können je nach Lebenssituation völlig anders ausfallen.

Glaubt man den Marktforschern, dann lässt das Interesse am Auto nach und das schon seit Jahren. Während es meine Generation damals gar nicht erwarten konnte, endlich den Führerschein in der Tasche zu haben und von zwei Rädern auf vier Räder mit Dach umzusteigen, sollen für die Jugend von heute ganz andere Dinge im Focus stehen. Sie wären absolut umweltbewusst, kann man überall lesen. Wer zur Fridays for Future Demo geht, denkt schließlich beim Auto nur an Abgase und wird sich später höchstens was Elektrisches kaufen. Und wer an den linksdrehenden deutschen Unis und Hochschulen herangewachsen ist, träumt von der grünen Radfahrer- und Fußgängerstadt, in der stinkende Autos nichts zu suchen haben.

Das Problem ist nur, dass die Marketing-Abteilungen der Autokonzerne ganz andere Erkenntnisse haben. Klar, es gibt einen deutlichen Trend zum Kleinwagen, aber der hat weniger mit Wollen als mit Können zu tun. In einer Welt der steigenden Mieten und sinkenden Einkommen ist eben für den einstigen Familienkombi einfach nicht mehr genug Geld übrig. Deshalb ist auch die vor der Jahrtausendwende so beliebte Gattung der Minivans so gut wie ausgestorben. Der durchschnittliche Angestellte kauft eben nur so viel Auto, wie er sich gerade noch leisten kann. Und da muss es eben mittlerweile oft ein simpler Golf tun, wenn ein Passat eigentlich das Richtige wäre.

Doch auch wenn große Teile der Bevölkerung gerade mal soviel verdienen, wie sie zum Leben brauchen, baut die Industrie nach wie vor Autos im C- und D-Segment. Bei neuen Modellen handelt es sich meist um einen SUV, obwohl der nach Darstellung der Medien einen denkbar schlechten Ruf hat. Diese Autos werden allerdings nicht von kleinen Angestellten gekauft, sondern fast ausschließlich von Vertriebsleuten und Selbstständigen. Von einer Zielgruppe also, die das Auto nicht vom bereits versteuerten Einkommen finanzieren muss.

Das hat sich natürlich auch unter der Weiblichkeit herumgesprochen. Frauen hatten ja schon immer ein ausgeprägtes Verlangen nach sozialer Anerkennung und vor allem wirtschaftlicher Sicherheit. Was gut informierte Männer natürlich wissen und besonders in der Paarungszeit alles tun, um genau die Weibchen anzulocken, die am meisten Vergnügen versprechen. Früher mussten sie dafür Muskeln zeigen und ein möglichst großes Tier erlegen. Heute läuft dasselbe Spiel auf eine weitaus subtilere Art ab.

Wer heute mit Muskeln sein Leben bestreitet, steht eher auf der unteren Stufe der sozialen Leiter. Gefragt ist eher derjenige, der etwas im Kopf hat. Der ist es auch, der etwas aus seinem Wissen macht und sein Leben selbst in die Hand nimmt. Er wird nicht nach einem vermeintlich sicheren Job suchen, um sich dann ein Leben lang unter irgend einen Chef zu ducken. Er wird sich lieber selbst verwirklichen und auf eigenen Beinen stehen wollen.

Klar geht das manchmal schief, aber wer nichts wagt, der kann auch nicht gewinnen. Doch wer es irgendwann geschafft hat und als Gewinner aus dem Spiel hervorgeht, der hat das Tier erlegt und alle Weibchen sind beeindruckt. Sie werden zwar heutzutage weniger von seinen Muskeln fasziniert sein. Aber sie werden umso genauer auf die Anzeichen achten, die in der modernen Welt auf Stärke und Erfolg hinweisen. Und da steht das Auto, in dem er sich fortbewegt, noch immer an ganz prominenter Stelle. Denn wer mehr für ein Auto ausgeben kann, als andere im Monat verdienen, der muss es einfach geschafft haben.

Will er sich also die Schönste unter allen Töchtern angeln, dann ist sein Auto gewissermaßen der Köder, auf den sie abfahren wird. Denn Frauen stehen auf Erfolgstypen und sie fahren lieber im Cayenne, SL oder Model S ins amouröse Weekend als mit dem ICE. Dabei ist ihnen dann weitgehend egal, ob der Mann am Steuer wirklich gut aussieht oder eigentlich schon viel zu alt ist. Entscheiden ist, dass er die größte Höhle hat, die durchaus die Form eines Häuschens am Stadtrand oder einer Penthouse-Wohnung in der City haben darf. Noch entscheidender ist, dass er Sicherheit vor den wilden Tieren bietet, das heißt eine Portion Luxus verspricht und profane Existenzängste weit von ihr hält.

Wobei der Köder natürlich auch eine geschickt gelegte Falle sein kann. Denn auch Männer haben ihre Motive. Und nicht wenige von ihnen fahren das teure Markenzeichen auf der Motorhaube nicht wegen der überlegenen Technik oder des tollen Fahrgefühls. Sondern, weil sie damit die richtigen Illusionen bei ihr wecken. Die Illusion, eine „gute Partie“ zu sein, und die Hoffnung auf ein Leben an seiner Seite und von seinem Einkommen.

Diese weiblichen Hintergedanken sind letztendlich nicht weniger zweifelhaft, als der männliche Wunsch, sein Objekt der Begierde einfach nur möglichst schnell ins Bett zu bekommen und möglichst viel Spaß damit zu haben. Mit anderen Worten: Sie will seinen Status, seinen Lebensstil, sein Geld und er will das einzige, was sie zu bieten hat.

Wobei die sozialen Bedürfnisse ja irgendwie zum Wesen des Weibes gehören. Schon in der Schule stecken die Teenies ihre Köpfe zusammen und wenn es sich um weibliche Köpfe handelt, dreht sich das Gespräch natürlich fast ausschließlich um die männliche Seite der Menschheit. Da geht es um den coolsten Typen in der Klasse, mit dem jede gerne ihr erstes Erlebnis haben möchte. Es geht um das Flattern im Bauch und die ganz große Liebe. Erst im Laufe der Zeit werden dann all diese romantischen Gefühle zunehmend von praktischen Überlegungen durchsetzt.

Da ist dann plötzlich der Kerl gefragt, der schon ein Auto hat, auch wenn es nur ein Kleinwagen ist, den Opa zum Abi spendiert hat. Oder eine alte Rostlaube, an der man die ganze Woche über herumschrauben muss, damit sie am Wochenende einsatzbereit ist. Den Mädels ist das egal, Hauptsache sie kommen am Freitagabend in die Disco und sind nicht mehr darauf angewiesen, von Papa abgegholt zu werden (was ja für einen Teenie äußerst peinlich ist).

Das ist dann auch der Moment, in dem das Auto in den Entscheidungsmittelpunkt rückt. Mir fällt dazu die großbusige Blondine ein, die ich vor Jahren immer wieder in der Videothek traf. Sie schien eigentlich nur auf der Welt zu sein, um mit ihren Freundinnen zu telefonieren. Auf jeden Fall guckte sie mich kaum an, wenn ich mal wieder einen Stapel Videokassetten für Wochenende mitnahm. Und sie ließ sich Zeit damit, mit das Geld abzunehmen und irgend einen Beleg auszudrucken. Währenddessen wurde ich dann Zeuge ihres Gesprächs:

„Ja, ich glaube den kenne ich und mit dem bist jetzt zusammen? Was hat der denn für ein Auto? Und was ist er von Beruf?“

Das Auto war also offensichtlich der Wertmaßstab, an dem die kleine Blondine ihre männlichen Gegenspieler einschätzte. Und natürlich der Beruf oder besser gesagt das damit verbundene Einkommen. Er hatte immerhin einen BMW. Das war ja schon mal ein recht gutes Zeichen. Schließlich will Frau ja nicht in einem prolligen Golf abgeholt werden. Nee, Golf-Fahrer gehen überhaupt nicht.

Wohlgemerkt, wir reden hier von einer jungen, blonden Tussie, die in einer Videothek an der Kasse arbeitete. Vermutlich reichte ihr Einkommen noch nicht einmal für eine eigene Wohnung und sie wohnte noch bei Mutti. Aber an ihren Kerl stellte sie hohe Ansprüche. Schließlich sollte er ihr ja das Leben bieten können, das sie sich aus eigener Kraft kaum leisten konnte. Und sie wollte aus einem respektablen Auto aussteigen, wenn sie mit ihm irgendwo vorfuhr.

Solange es weibliche Wesen auf der Welt gibt, wird sich also die Autoindustrie keine dauerhaften Sorgen machen müssen. Was auch erklärt, weshalb Carsharing-Dienste nie richtig in Schwung gekommen sind und selbst unverschämte Parkgebühren bisher nicht dafür sorgen konnten, dass die Leute mit dem Bus in die City kommen, anstatt mit dem eigenen Auto. Autofahren ist eben ein großes Stück Freiheit und dazu gehört auch, dass man jederzeit losfahren und überall hinfahren kann. Und dass jeder sofort sieht, ob man nur ein gewöhnlicher Büroangestellter ist, oder etwas Besseres.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich der grünrote Mainstream nie durchsetzt und seine sozialistischen Träume verwirklichen kann. Denn dann würde wieder der Staat über alles bestimmen, Autos würden zugeteilt und mehr als ein Polo wäre nur noch für Parteibonzen drin.