Lifestyle: Leben mit leichtem Gepäck

Die meisten Ehen sind nur deshalb nicht geschieden, weil es zu viel Besitz gibt, den man aufgeben müsste. Das gemeinsame Haus zum Beispiel. Oder auch nur die Dinge, die man im Laufe seines Lebens angesammelt hat. Ich sprach mit einem alten Freund, der das alles nicht wollte. Alles was er besitzt, könnte man am Ende seines Lebens mit einem Transporter zum Recyclinghof fahren. Ein unbeschwertes Leben, das viele Entscheidungen einfacher macht.

Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, lebte er in der Schweiz in einem gemieteten Reihenhaus mit Blick ins Grüne. Seine Frau servierte Kaffee und selbst gemachten Kuchen. Die beiden lebten seit dreißig Jahren zusammen. Verheiratet waren sie nicht. Für Kinder war irgendwie nie der richtige Zeitpunkt gewesen und so hatten sie sich irgendwann auf einen Hund geeinigt. „Besonders wenn man schon etwas älter und träger ist, ist ein Hund ein gutes Mittel, um in Bewegung zu bleiben,“ meinte er, den wir hier einfach mal Peter nennen.

Peter war eigentlich Österreicher, hatte irgend etwas mit Finanzwesen studiert und arbeitete nach mehreren Jobs bei namhaften Unternehmen seit gut zehn Jahren als Unternehmensberater. Sein Leben hatte in einer Studentenbude in Wien begonnen und dann über Zürich, London, München, Kopenhagen, Amsterdam, Frankfurt und Karlsruhe wieder nach Zürich geführt. Dort besuchte ich ihn, weil ich gerade in der Nähe war.

Der Ausdruck „Ich war immer mit leichtem Gepäck unterwegs“ stammt von ihm, obwohl er bestimmt nicht der Einzige ist, der diesen Lebensstil praktiziert.

Peter hatte immer „eine gute fünfstellige Zahl im Jahr“ verdient, wie er es beschrieb. Auf Statussymbole legte er keinen Wert. „Einmal habe ich der Versuchung widerstanden und mir einen Mercedes gekauft. Aber der musste öfter mal in die Werkstatt und hat einfach mehr Aufmerksamkeit von mir gefordert, als mir ein Auto wert ist. Seitdem fahre ich wieder Toyotas. Zuverlässigere Autos gibt es einfach nicht.“

Immobilienbesitz? Fehlanzeige! Ein Haus ist zwar schön, aber man muss es nicht besitzen, um darin wohnen zu können. Für das, was ich in meinem bisherigen Leben an Miete ausgegeben habe, hätte ich natürlich auch eine Hypothek abzahlen können. Aber eigentlich hätte ich von dem Besitz nicht viel gehabt. Bei meinem Nomadenleben hätte ich die Hütte vermutlich die meiste Zeit vermietet. Das heißt, ich hätte mich darum kümmern müssen und ein Anderer hätte einfach darin gewohnt.

„Besonders in jungen Jahren kam es ihm gelegen, dass er so einen Ballast nicht hatte. „So manchen interessanten Job hätte ich vermutlich nie angenommen, wenn es da ein eigenes Haus gegeben hätte. Ein Haus zu haben und trotzdem irgendwo zur Miete zu wohnen, macht schließlich nicht wirklich Sinn. Aber irgendwie hat sich die Frage nie gestellt.“

Peter ist mittlerweile in einem Alter, in dem man sich schon allmählich Gedanken darüber macht, wie es wohl nach dem aktiven Berufsleben aussehen soll. Zwar ist seine Arbeit viel zu interessant und er kann sich noch nicht wirklich nicht vorstellen, eines Tages in Rente zu gehen und die Tage mit Nichtstun zu verbringen. „Aber die Biologie wird sich nicht aufhalten lassen.“ Wo dann sein Altersruhesitz sein soll, weiß er noch nicht. Vielleicht im Oberengadin, denn da hast es ihm bisher am besten gefallen. Aber das kann man ja später noch sehen.

Ein Leben ohne Ballast ist eine ganz bewusste Entscheidung. Menschen mit dem Hang zur Sesshaftigkeit, die ihre festen Gewohnheiten lieben, kommen dafür vermutlich nicht in Frage. Auch wer Statussymbole als Nachweis dafür braucht, Erfolg im Leben zu haben, wird wohl eher kein Leben a la Peter führen wollen. Dafür braucht man schon eine gewisse innere Unabhängigkeit, ergänzt durch einen ausgeprägten Freiheitsdrang. Auch typische Familienmenschen und solche, die Wert darauf legen, einen großen Freundeskreis um sich zu haben, sind für das Nomadenleben ohne festen Lebensmittelpunkt nicht gemacht.

„Wenn sich heute ein Ortswechsel anbietet, brauchen wir nur eine Handvoll Umzugskartons vom Baumarkt und können schon morgen alles einpacken. Ein großer Transporter genügt und unser kompletter Hausrat rollt auf der Straße.“

Dabei wohnt Peter alles andere als primitiv. Aber er hat die richtigen Möbel und zwar solche, die sich bei Bedarf schnell demontieren auf engstem Raum transportieren lassen. Flötotto heißt seine Hausmarke, die man in jedem Zimmer findet. Ob es das Sideboard im Wohnzimmer ist, die Garderobe im Flur, der Schreibtisch im Büro oder alles im Schlafzimmer – für den nächsten Umzug genügt ein Inbusschlüssel und ein paar Stunden später sind nur noch Profile, Regalbretter und Seitenwände übrig. Nur eine Küche besitzen die beiden nicht, aber so was gehört je mittlerweile zu jeder besseren Wohnung dazu.

„Früher waren Bücher und Schallplatten das größte Problem,“ erklärt Peter. „Mittlerweile habe ich Musik und Filme komplett auf der Festplatte und die Bücher, die ich vielleicht eines Tages noch einmal lesen werde, habe ich mir als eBooks zugelegt. Überhaupt lese ich Bücher, Zeitschriften und Zeitung nur noch auf dem Tablet.“

Seitdem die Digitalisierung auch den privaten Bereich erreicht hat, haben eigentlich nur noch Nostalgiker und Sammler Bücher-, Schallplatten- und CD-Regale, um ihre Schätze durchs Leben zu schleppen. Alle anderen brauchen eigentlich nur noch einen flachen Bildschirm, einen Notebook und ein paar gute Lautsprecher. Selbst auf eigene Datenspeicher könnte man verzichten, denn mittlerweile lässt sich so ziemlich alles jederzeit aus der Cloud herunterladen.

„Kürzlich habe ich sogar die Ordner abgeschafft, die ich bisher fürs Finanzamt aufbewahren musste. Dafür gibt es schließlich Dienstleister. Ich scanne meine wenigen Belege einfach ein und schicke sie an den Steuerberater.“

Seine Frau scheint mit diesem Lebensstil keine Probleme zu haben. Das unterscheidet sie vermutlich von der Mehrzahl der anderen Frauen, die doch größeren Wert auf ein vertrautes soziales Umfeld legen, den Kontakt zu Freunden und Verwandten schätzen und lieber sesshaft sind, anstatt heute hier und morgen da zu leben. Aber da hat Peter wohl Glück gehabt und genau die richtige gefunden.