Unterhaltungselektronik: Die Zeit der Kisten ist vorbei

Die Älteren von uns kennen sie noch: schwarze oder silberne Geräte, die man aufeinander stapelte und stolz im Wohnzimmer präsentierte. Meist steckten sie in einem mehr oder weniger schmucken Rack. Oder sie nahmen ein ganzes Fach im Regal ein. Sie, das waren Tuner, Verstärker, Plattenspieler, CD-Player und Tape Deck. Metallene Relikte aus einer Zeit, in der Musik hören noch mit viel Hardware verbunden war.

ls ich Anfang der 90er Jahre in ein neues Haus umzog, nahm die Planung des Wohnzimmers viel Zeit in Anspruch. Da gab es nämlich nicht nur mehrere Quadratmeter an Regalwand mit den unzähligen Büchern, die ich im Laufe meines Lebens angesammelt hatte. Es galt auf, fünf laufende Meter an Schallplatten unterzubringen, eine erkleckliche Sammlung an CDs war auch schon zusammengekommen und ein ganzer Umzugskarton voller Musikcassetten verlangte nach mehreren Schubladen, um jederzeit griffbereit zu sein.

Nicht zu vergessen die Lautsprecherboxen. Sie mussten nämlich hörgerecht aufgestellt werden – also so, dass Zuhörer und beide Boxen ein gleichschenkliges Dreieck bildeten. Und da es sich in meinem Fall um zwei recht voluminöse Exemplare handelte, galt es dafür genau den richtigen Standort zu finden.

Leben ohne sichtbare Technik

Von all dem – der Leser ahnt es schon – ist heute kaum noch etwas übrig. Von der Schallplattensammlung gibt es mittlerweile nur noch zwei laufende Meter. Und auch die rauben keinen Regalraum, weil ich sie immer wieder auflege, sondern weil sie irgendwie Teil meines Lebens sind und ich es nicht übers Herz gebracht habe, sie einfach wegzuwerfen. Folglich ist von der einstigen HiFi-Anlage nur noch der Plattenspieler übrig. Für alle Fälle, man weiß ja nie. Ich musste sogar einen extra Vorverstärker kaufen, weil heute kein Audiogerät mehr einen extra Anschluss für Plattenspieler hat.

Lautsprecherboxen? Ja, die gibt es noch. Aber sie sind deutlich geschrumpft und bieten intelligente Technik anstelle von schierem Volumen. Der Klang ist nach wie vor exzellent und für meine Ohren viel besser als die heute üblichen Mini-Lautsprecher fürs Regal, die mit einem Subwoofer verbandelt werden, den man irgendwo hinter dem Vorhang verstecken kann. In dieser Hinsicht bin ich ziemlich konservativ geblieben und habe mir auch kein Raumklang-System ins Zimmer gestellt, damit der Hollywood-Klassiker genauso klingt, wie damals im Kino.

Eine HiFi-Anlage gibt es noch – bestehend aus Tuner, Verstärker und CD-Player. Aber die steht eigentlich nur noch da, weil sie wie angegossen ins Sideboard passt. Nutzen tue ich nämlich nur noch den Verstärker. Das braucht man eben für passive Lautsprecher. Aber es ist eine recht kompakte Variante – so was hätte ich früher gar nicht für voll genommen. Dafür gibt es jetzt eine neue Komponente, aber dazu später.

Bild und Ton haben sich entmaterialisiert

CDs habe ich schon lange keine mehr gekauft. Ich hab aber auch schon lange keinen CD-Laden mehr gesehen, wo man danach stöbern könnte. Gibt es so etwas eigentlich noch?

Meine Musik liegt auf einem NAS. Ein was? Ein Network Attached Storage, also eine schwarze Kiste, die gleich neben dem Router irgendwo hinter einer Schranktür steckt. Die ist, wie der Name schon sagt, an mein heimisches Netzwerk angeschlossen und beherbergt momentan 4 Festplatten mit der Kapazität von je einem Terrabyte. Es handelt sich dabei um ein RAID-System, das heißt, immer zwei Platten sind parallel geschaltet und eine selbstständig arbeitende Elektronik sorgt dafür, dass alle Daten doppelt gespeichert sind.

Die Schallplatten, die ich seinerzeit entsorgt habe, habe ich vorher digitalisiert. Die Musik liegt also jetzt in Form von Dateien auf der Festplatte. Ähnlich ist es auch den CDs ergangen, die einst als der Nachfolger der Schallplatte gehandelt wurden. Auch davon stehen nur noch wenige Erinnerungsstücke im Regal, während der Rest entmaterialisiert wurde. Der große Filmsammler war ich nie, aber auch die DVD-Bestände sind auf einer Festplatte gelandet. Für den Fall, dass ich irgendwann vielleicht auf die Idee komme, mir den einen oder anderen Film noch einmal anzusehen.

PC statt Audioanlage

Wo es Bild und Ton nur digital gibt, darf natürlich ein PC nicht fehlen. Aber nicht einfach irgend einer, denn schließlich befinden wir uns im Wohnzimmer und da soll es schließlich nicht aussehen wie im Büro. Normalerweise nennt man entsprechende Geräte HTPC. Das steht für Home Theater Personal Computer und für einen PC, der extra für die Aufnahme und Wiedergabe von Bildern und Tönen zugeschnitten ist.

Die meisten Kisten dieser Gattung waren mit schlicht zu hässlich und klobig. Eigentlich brauchte ich ja nur einen Mini-PC, der sich die Medien vom NAS holt, um sie dann an den Flachbild-Fernseher oder die Audioanlage weiterzuleiten. Dafür braucht man weder gewaltige Rechenleistungen noch eingebaute Festplatten. Ich habe mich daher bei eBay umgesehen und zur Selbsthilfe gegriffen. Ein schickes Alugehäuse gab es für ein paar Euro, eine Platine samt CPU war günstig gebraucht zu haben und ansonsten gibt es nur ein SSD-Laufwerk und einen DVD-Brenner. Über den spiele ich heute meine noch verbliebenen CDs ab, wenn mir mal wieder danach ist.

Wer in Sachen PC nicht unbedingt der Bastler ist, kann sich auch irgend eine dieser ultrakompakten Mini-PCs kaufen, die meist nicht größer sind als ein fünf übereinander gestapelte CDs.

Bildschirm, PC, Festplatten, Verrstärker, Lautsprecher – that‘s it. Mehr braucht heute eigentlich niemand für die umfassende Heimunterhaltung.

Bücher, wo sind die Bücher?

Die Büchersammlung ist nach drei Umzügen zu einer Art Kernbestand geschrumpft. Das ergibt sich zwangsläufig, wenn man sich bei jedem Buch fragt, ob man es jemals wieder lesen wird, bevor man es in den Umzugskarton packt. Bücher sind nämlich verdammt schwer. Sie brauchen unendlich viel Platz. Und – mal ganz ehrlich – meist stehen sie doch nur im Regal herum, um die Besucher zu beeindrucken. Schließlich will man als belesen gelten.

Bei mir stehen eigentlich nur noch großformatige Bildbände im Regal. Dazu noch ein paar Bücher, die ich aus sentimentalen oder anderen Gründen nicht wegwerfen wollte, und das war‘s. Dabei lese ich nach wie vor noch unheimlich viel und nutze eigentlich jede freie Minute, um eines der drei Bücher zu lesen, mit denen ich mich meist gleichzeitig beschäftige.

Der Unterschied ist nur, dass diese Bücher eben nicht mehr auf Papier gedruckt sind, sondern ebenfalls nur in digitaler Form vorliegen. Ich lese sie vom Tablet und muss sagen, das ist weitaus komfortabler als je zuvor. Im direkten Sonnenlicht ist zwar so ein Tablet nur bedingt zu gebrauchen, aber wenn die Sonne scheint, habe ich ohnehin andere Dinge vor. Dafür sit das Lesen vom Tablet in den meisten übrigen Situationen einfach praktischer und angenehmer. Außerdem braucht so ein Buch kaum Speicherplatz, sodass man eigentlich fast die ganze Bücherei mit in den Urlaub nehmen kann. Das wiegt kein Gramm extra und lässt alle Möglichkeiten offen.

Digital hören und sehen

Früher konnte es schnall passieren, dass man vier, fünf Fernbedienungen neben sich liegen hatte, um die ganze Unterhaltungselektronik bedienen zu können. Ich habe eigentlich nur noch eine PC-Tastatur. Ist es Zeit für Entspannung, schalte ich Verstärker, PC und Fernseher ein und begebe mich zu meinem Lieblingssessel. Das Fernsehprogramm wird über die TV-Karte des PC reingeholt. Radio gibt es praktisch nur noch als Webradio und die Auswahl meiner Lieblingssender ist nur einen Klick entfernt. Genau wie das gewaltig angewachsene Musikarchiv und meine Filme-Sammlung auf dem NAS.

Die Software dafür nennt sich KODI und läuft am einfachsten unter Linux. Ich schalte den Rechner meist morgens zum Frühstück ein, um Swiss Jazz zu hören, und es passiert immer wider, dass der Mini-Rechner dann den ganzen Tag über läuft, bis ich ihn dann nachts nach irgend einem Film oder Fernsehbericht abschalte.

Mit KODI und eine entsprechende Add-on-Software kann man übrigens jeden Fernsehbeitrag aufnehmen und im allgemein gebräuchlichen MP4-Format abspeichern. Ich nehme allerdings meist den einfacheren Weg. Der heißt Mediathekview und ist ein kleines Linux-Programm, das den Inhalt sämtlicher deutschen Mediatheken abrufbereit hält. Man kann nach mehreren Kriterien nach bestimmten Programminhalten suchen und diese dann direkt herunterladen. Ich mache das regelmäßig, denn ich habe selten dann Zeit zum Fernsehen, wenn gerade etwas kommt, was mich interessiert.

Es ist übrigens völlig egal, wo ein Film oder ein Musikstück gespeichert ist – KODI kann auf sämtliche Festplatten und Rechner im Netzwerk zugreifen. Und KODI gibt es auch für Smartphone und Tablet. Was den Vorteil hat, dass ich einen Film im Wohnzimmer anfangen kann, um dann ins Bett zu wechseln, um dort den Rest davon zu sehen. Ich meine, wenn dort nicht gerade Live-Unterhaltung angesagt ist.

Es gibt sogar Leute, die brauchen nur noch ein Smartphone, um Radio zu hören, auf ihre Musiksammlung zuzugreifen, fernzusehen oder wieder mal einen ihrer Lieblingsfilme zu sehen. Dafür muss man letztendlich nur eine Festplatte an den WLAN-Router anschließen und KODI installieren. Denn selbst das Fernsehprogramm kommt ja heute als Videostream über das Internet.

Manchmal frage ich mich, wozu ich überhaupt noch eine Wohnung habe. Eigentlich würde mir ein rollendes Wohnzimmer, sprich Wohnmobil, völlig genügen. Aber das ist ein anderes Thema.