Sozialismus: Auch Versager wollen leben

Es war irgendwann in den Achtzigern, als die CDU eine noch klare Aussagen machte. „Freiheit statt Sozialismus“ versprachen die Wahlplakate und das wollte in Deutschland eigentlich niemand. Schließlich konnte ja jeder sehen, wie der Sozialismus in der östlichen Hälfte des Landes funktionierte: das Land war marode, die Läden waren leer und die Menschen blieben eigentlich nur, weil man sie eingezäunt hatte. Damals hätte wohl niemand geglaubt, dass Kommunisten einmal im Bundestag sitzen und Sozialisten die CDU am Leben halten würden.

In den Achtzigern war die Welt eben noch in Ordnung. Damals wusste man noch, was links und rechts war. Links, da waren das arbeitsscheue Gesindel, die Chaoten, Steinewerfer und Hausbesetzer, die mit dem Staat im Clinch lagen. Rechts waren die Gestrigen, die vom großdeutschen Reich träumten und Sympathisanten bis ins schwarze Lager hatten. Dazwischen wechselten sich Sozis und Kapitalisten im Regieren ab und eine kleine, gelbe Partei half mal der einen, mal der anderen Seite mit Stimmen aus. Anders gesagt: links war böse und auf dem rechten Auge war man eher blind.

Heute sitzen die Steinewerfer von gestern im Parlament und durften sogar schon Regierung spielen. Ihr großer Coup war es, tiefrotes Denken als grünes Umweltbewusstsein zu verkaufen. Ihr größter Fehler war es, die Frauen ans Rednerpult zu holen. Heute werfen sie zwar keine Steine mehr. Aber ihren Habitus aus dem Straßenkampf haben sie dennoch beibehalten. Man muss nur einen Blick in den Bundestag werfen, wenn ein politischer Gegner das Rednerpult betritt. Dann grölt und pöbelt das grüne Lager und der Redner ist eigentlich nur noch zu hören, weil er Mikrofon und Verstärker als Verbündete hat. Die grüne Vorsitzende der Veranstaltung hat das übrigens noch nie gestört.

Links daneben sitzen übrigens die ganz Linken. Also diejenigen, die sich auch so nennen. Einst hatten sie eine brillante Rednerin, bei der man immer wieder das Gefühl hatte, dass sie eigentlich in der falschen Partei ist. Seitdem man sie zum Schweigen gebracht hat, kommen von dort nur noch Kampfparolen und es wird viel von sozialer Gerechtigkeit, staatlichem Eingreifen und Enteignung geredet. Die Botschaft dahinter ist simpel: oben nehmen und unten verteilen.

Wobei die Grenzen zwischen rot und rot zunehmend verwischen. Bei mancher roten Forderung muss man schon genau hinsehen, um zu erkennen, ob sie jetzt von linken Sozialisten oder sozialistischen Linken kommt. Ob es sich um sozialdemokratischen Sozialismus handelt oder um sozialistischen Kommunismus. Schließlich gibt es zwischen Sozialismus West und Sozialismus Ost nur noch subtile Unterschiede.

Das wird verständlich, wenn man weiß, dass beide Lager eigentlich um genau dieselbe Zielgruppe buhlen. Wer die Stimme des kleinen Mannes will, der kommt eben gut an, wenn er fordert, „die Reichen“ drastisch zu besteuern und ihnen ihr Vermögen irgendwie zu nehmen. Wer selbst nicht hat, tendiert eben dazu, neidisch auf diejenigen zu sehen, denen es sichtbar besser geht.

Deshalb ist Rot und Rot vor allem ein Begriff gemein: soziale Gerechtigkeit. Was übrigens nicht die schlechteste Rhetorik ist, denn Gerechtigkeit will jeder und eine friedliche Gesellschaft ist immer auch eine soziale Gesellschaft. Also eine, die den Starken etwas mehr nimmt, damit die Schwachen etwas mehr haben.

Es ist also kein Zufall, dass Rot und Rot gleichermaßen davon träumen, man müsse nur Wohnungsgesellschaften enteignen und schon wären die Mieten wieder so wie früher. Das hört der kleine Angestellte gerne, der lieber tausend Euro für das neueste iPhone ausgibt, anstatt alles daran zu setzten, selbst Wohneigentum zu schaffen. Für ihn sind nämlich „die Reichen“ schuld daran, dass er gerade mal genug Geld zum Leben hat. Er weiß zwar nicht genau wie und warum, aber nur sie können schuld sein, denn sie haben, was er gerne hätte.

Dass es für seine unbefriedigende Situation auch andere Gründe geben könne, sieht er natürlich nicht. Ein Mädchen, der sich für eine berufliche Zukunft als Krankenschwester oder Friseuse entschieden hat, weiß doch eigentlich von Anfang an, dass sie es nie zu etwas bringen wird. Wer Musik studiert, dem muss auch klar sein, dass bestenfalls einer von hundert Musikern von der Musik leben kann. Und wer  mit dem Abschluss der Lehre seine Berufsausbildung für beendet erklärt, der hat sich auch damit abgefunden, nie richtiges Geld zu verdienen.

Das liegt nicht daran, dass die Anderen unverschämt viel Geld verdienen. Das liegt allein daran, dass man selbst die falschen Entscheidungen getroffen hat.

Klar, so mancher hat einfach Glück und wurde als Kind reicher Eltern geboren. Eltern, die ihm das Vermögen vererbt haben, das ihm sein Leben ein gutes Stück einfach macht. Doch wenn er nichts im Kopf hat, ist diese Vermögen auch ganz schnell wieder weg. Denn Vermögen will verwaltet werden. Es will richtig angelegt und gezielt vermehrt werden. Das verlangt viel Wissen, kluge Entscheidungen und eine gute Portion Intelligenz.

Außerdem: Jedes große Vermögen hat einmal klein angefangen. Es begann mit einem Menschen, der sich über sein Leben Gedanken gemacht und sich Ziele gesetzt hat. Einer, der mehr verdienen wollte, als er zum Leben braucht. Einer, der mehr von seinem Leben erwartet hat, als Geld zu verdienen und Geld wieder auszugeben. Einen Menschen mit Unternehmergeist zum Beispiel, der sein Leben lieber selbst in die Hand genommen hat, anstatt für andere zu arbeiten. Denn so richtig Reich kann man nur werden, wenn man Kapital für sich arbeiten lässt. Oder andere Menschen.

Aber die Meisten kennen ja noch nicht einmal den Unterschied zwischen Vermögen und Geld auf der Bank.

Die Wählerschaft der Sozis und Linken findet man daher nicht ohne Grund in der Karawane der Angestellten, die sich allmorgendlich in die Ballungszentren bewegt, um den schönsten Teil des Tages in einem Büro, einer Werkstatt oder einer Fabrik zuzubringen. Ihnen ist der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. Sie klammern sich verzweifelt an ihren Job, auch wenn sie von ihrem Lohn gerade mal ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Sie wollen mehr Geld verdienen, aber abends entspannt vor dem Fernseher sitzen. Sie schimpfen auf die da oben und bleiben aus gutem Grund die da unten.

Diese Masse der Passivmenschen ist es, bei der das Versprechen soziale Gerechtigkeit auf fruchtbaren Boden fällt. Schließlich ist es einfach nur ungerecht, dass die einen viel zu viel und die anderen viel zu wenig verdienen. Es ist unsozial, wenn sie das verdiente Geld auch noch behalten dürfen. Und es ist geradezu unmoralisch, dass manche Menschen mehr haben, als sie in ihrem ganzen Leben je ausgeben könnten. Ganz zu schweigen von denjenigen, die sogar Geld verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen.

Also muss man es ihnen nehmen, um es den anderen zu geben. Denn, wie gesagt, den Unterschied zwischen Geld und Vermögen kennt man im Kreis der Einfachdenker nicht. Denn wenn sie ihn kennen würde, dann wüssten sie auch, dass das Vermögen der Vermögenden in den Unternehmen steckt, in denen die Unvermögenden ihren Lebensunterhalt verdienen. Oder in den Häusern, in denen sie zur Miete wohnen, ohne sich um deren Erhalt Gedanken machen zu müssen. Würde man also einem Bill Gates seine Milliarden nehmen, dann müsste Microsoft morgen dicht machen und Hunderttausende direkt und indirekt davon abhängiger Menschen ständen ohne Arbeit da. Dafür hätten dann die Millionen Armen zehn Euro mehr auf dem Konto.

Dabei liegt das Wissen dazu auf der Straße, beziehungsweise im Internet. Dort kann man dann auch gleich nachlesen, wie es in den Ländern zugeht, in denen der Sozialismus Wirklichkeit ist. Man kann sich die verfallenen Häuser ansehen, die verrottete Infrastruktur und die klapprigen Autos. Man kann sich live vorführen lassen, was dabei herauskommt, wenn der Staat alles in der Hand hat und jeder bekommt, was er zum Leben braucht. Oder besser gesagt zum Überleben.

Soziale Gerechtigkeit heißt nämlich auch, dass die Millionen der Unfähigen auf Kosten derer Leben, die es zu Vermögen gebracht haben. Bis das Vermögen verteilt ist und alle arm sind.