Beziehung: Von der ganz alltäglichen Prostitution

Eine Nutte, korrektdeutsch auch Sexarbeiterin genannt, ist eine Frau, die ihre diversen Körperöffnungen zur Penetration anbietet und damit ihren Lebensunterhalt verdient. Ihr Markt sind Männer, die sexuell wohl irgendwie zu kurz gekommen sind und sich das erkaufen, was andere geschenkt bekommen. Oder Männer, die einfach nur Sex haben wollen, ohne dafür erst wochenlang eine Frau anbaggern zu müssen. Das Ganze nennt sich Prostitution und ist eigentlich ein recht zwielichtiges Geschäft. Aber die Grenzen sind fließend und so manche Alltagsnutte ist tödlich beleidigt, wenn man sie so nennt.

Sie war fünfunddreißig und ihr Lebensziel war eigentlich ganz einfach: einen möglichst reichen Mann kennenlernen, um dann möglichst luxuriös von seinem Einkommen zu leben. Das hätte sie zwar nie so ausgedrückt, aber ihr Verhalten sprach genau diese Sprache. Sie nutzte jedes Schnäppchen im Luxushotel, in der Hoffnung, im Wellness-Bereich auf ihren Traummann zu stoßen. Sie geisterte ständig durch die Dating-Portale und suchte die Profile gezielt nach Anzeichen für Status und Wohlstand ab. Sie trug teure Marken, auch wenn es nicht immer Originale waren und verbrachte die Samstagvormittage da, wo die edlen Boutiquen sind und die Nobelkarossen den Straßenrand säumen.

Nein, eine Nutte war sie nicht. Sie ging schließlich nicht mit jedem ins Bett und für Geld tat sie es auch nicht. Zumindest nicht so direkt. Aber für ein Geschenk war sie immer offen. Und wenn das eine Nacht im Marriott erforderte, dann hatte sich die Mühe gelohnt.

Doch es geht auch eine Nummer tiefer. Da ist zum Beispiel die Friseuse, die zum Mindestlohn arbeitet. Sie ist zwar dumm wie Stroh, aber sie sieht verdammt gut aus. Und sie weiß ganz genau, dass ihr Körper so ziemlich ihr einziges Kapital ist. So mancher junge Mann aus dem Verein würde alles dafür geben, um sie flachlegen zu können. Aber mit One Night Stands versaut man sich nur den guten Ruf und sie wollte einen Mann fürs Leben. Einer mit Beruf, Einkommen und eigener Wohnung. Einer zum Heiraten, damit sie endlich zu Hause ausziehen konnte.

So einer findet sich natürlich irgendwann, wenn man verführerisch aussieht. Zum Beispiel ein gestandener Handwerker, der gut verdient und auf das Aussehen einer Frau mehr wert legt als auf ihre Fähigkeit, kluge Sätze von sich zu geben. Den gilt es dann, möglichst dauerhaft an sich zu binden. Am Besten mit einem Kind. Denn ein Kind festigt die Beziehung. Schließlich denken Männer praktisch und eine heiße Braut mit Balg ist immer noch besser als ein Leben lang Alimente zu zahlen. Also heiratet er sie und ihr Plan ist aufgegangen.

Auch sie hat sich natürlich nicht prostituiert. Sie hat sich ja nicht mit Jedem abgegeben, sondern für den einen, richtigen Mann aufgespart. Dem macht sie jetzt den Haushalt und gelegentlich die Beine breit. So bekommt er, was er will, und sie muss sich nicht mehr den ganzen Tag mit einem langweiligen Job abplagen.

Leistung und Gegenleistung ist schließlich das Grundprinzip unseres Lebens. Ein Mechanismus, an den wir uns alle gewöhnt haben. Wer etwas wirklich will, muss bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. Und der muss sich durchaus nicht in irgend einer Währung ausdrücken lassen. Angebot und Nachfrage. Nehmen und Geben. Leistung und Gegenleistung.

Da ist zum Beispiel Sabrina. Eigentlich ist sie ja noch ein Teenager und hat ihr Abitur noch lange nicht hinter sich. Aber Kleider machen Leute und auf dem Schulhof ist man nur etwas, wenn man die richtigen Marken trägt. Markenschuhe, die verdammt viel Geld kosten. Und Markenklamotten, die man nun mal nicht beim Discounter findet. Die Eltern sind dafür nicht zu haben, von Oma gibt‘s höchstens zum Geburtstag was und das Taschengeld geht eigentlich schon für den täglichen Kleinkram drauf. Mit der Clique Eis essen gehen. Oder am Samstag in die Disko.

Genau dort gibt es auch immer Typen, die auf ganz junge Mädchen stehen. Junge Männer, die schon einen Job und ein eigenes Auto haben. Wenn sie sich an so einen ran macht, spart Sabrina eine Menge Taschengeld. Denn er wird ihr nicht nur gerne einen Drink spendieren, oder zwei oder drei. Er wird sie anschließend auch nach Hause bringen, damit sie nicht auf die letzte Bahn angewiesen ist und länger mit ihm tanzen kann. Es ist geil, in seinen BMW einzusteigen und die neidischen Blicke der Anderen zu erleben. Denn der Kerl sieht nicht nur so gut aus. Er hat auch richtig reiche Eltern.

Natürlich wirbt er heftig um sie, denn er will sie schließlich ficken. Er macht ihr Geschenke und sie gewöhnt sich daran. Bis er eine Gegenleistung dafür verlangt. Geschenke gegen Sex. Luxus für Jugend. Zum Glück ist es nicht das erste Mal, denn ihren ersten Sex hatte sie schon mit vierzehn. Und sie hat früh gelernt, wie das zwischen Mann und Frau funktioniert. Sie weiß genau, sie muss nur die Beine breit machen und all die tollen Sachen kommen von ganz alleine. Sie gibt ihm, was er braucht, und er gibt ihr, was sie braucht. So einfach ist das auf dieser Welt. Nehmen und Geben.

Nein, als Schlampe sieht sie sich nicht. Als Nutte erst recht nicht. Sie würde schließlich nie Geld für Sex nehmen. Niemals. Doch als der erste Liebhaber schließlich das Weite suchte, wusste sie genau, an wen sie sich als Nächstes ranmachen musste.

Die kleine Sachbearbeiterin aus dem Vertrieb heißt Kerstin und denkt da ganz ähnlich. Mit einem verheirateten Kollegen würde sie sich nie einlassen. Man hat schließlich einen Ruf zu verlieren. Aber mit dem Chef, das ist etwas anderes. Er ist charmant. Er ist ein guter Liebhaber. Und solange sie ihm willig ist, ist ihr Job gesichert. Als Frau muss man auf so etwas achten. Besonders, wenn man schon auf die Vierzig zugeht und die Verehrer nicht mehr Schlange stehen.

Kerstin wohnt in einem der besseren Viertel der Stadt. Ihre schicke Wohnung lässt sich eigentlich kaum mit ihrem Einkommen vereinbaren. Aber sie gehört ja auch nicht ihr. Und Miete hat sie dafür auch noch nie gezahlt. Sie solle sich darüber keine Gedanken machen, hat er gesagt. Und für das Geld solle sie sich lieber etwas Hübsches zum Anziehen kaufen. Er liebt es nämlich, als Einziger im Büro zu wissen, dass sie unter ihrem mausgrauen Business-Kostüm sündhaft teure Lingerie trägt. Vielleicht wieder diese französische Panty vom Typ ouvert, die ihn ganz besonders anmacht.

Natürlich ist er verheiratet. Er hat sogar zwei Kinder und einen Hund. Eine Scheidung kommt daher nicht in Frage. Aber es schmeichelt jede Frau, die heimliche Geliebte eines Mannes zu sein, der für seine Frau schon lange nichts mehr empfindet. Besonders, wenn man von ihm in teure Restaurants geführt wird. Und wenn man zum Shoppen nach Mailand und zur Oper nach Wien eingeladen wird, weil dort gerade ein Kongress stattfindet, zu dem er sich nur zum Schein angemeldet hat.

Früher bezeichnete man eine wie Kerstin als Mätresse. Eine Frau für bestimmte Stunden, die sich von ihrem Galant aushalten ließ und ihm dafür die Wünsche erfüllte, die anderswo unerfüllt blieben. Sie war der jüngere Ersatz für die in die Jahre gekommene Ehefrau. Aber als solche würde Kerstin sich natürlich nie sehen. Sie hatte einfach das Glück, einen großzügigen Mann gefunden zu haben, der sie zu schätzen weiß und ihr gerne kleine Geschenke macht.

Da ist Monique schon ein ganz anderes Kaliber. Ihren wirklichen Namen will sie nicht verraten und der interessiert hier wohl auch niemand. Ihr Revier sind die Bars der großen Hotels. Dort, wo erfolgreiche Geschäftsleute absteigen, die einen dicken Benz in der Tiefgarage stehen haben. Solche Männer haben zwar meist Frau und Kinder. Aber sie sind weit weg von zu Hause. Und sie sind einem kleinen Abenteuer nie abgeneigt. Besonders wenn sie von einer charmanten Frau dazu aufgefordert werden, die am nächsten morgen diskret wieder aus dem Hotelzimmer verschwunden sein wird. Eine wie Monique, die davon lebt. Und zwar weitaus besser als jede Angestellte, die den schönsten Teil des Tages in irgend einem Großraumbüro verbringen muss.

Das erste Mal war eine dieser zufälligen Begegnungen, die in einem echten Schock endete. Sie war zu einer Messe in Berlin und eigentlich nur zu einem letzten Absacker in der Bar, bevor sie sich auf ihr Zimmer zurückziehen wollte. Aber eine gut aussehende Frau bleibt nie lange allein und so fand auch sie sich schnell in der Gesellschaft eines Mannes wider, der eigentlich ganz sympathisch war und durchaus das eine oder andere Verlangen in ihr weckte.

Man muss die Gelegenheiten beim Schopfe packen, waren ihre Gedanken, als sie ihm aufs Zimmer folgte. Schließlich war sie gerade single und so ein Mann würde vielleicht nie wieder ihren Weg kreuzen. Natürlich war sie nicht mehr ganz nüchtern, denn aus dem Absacker waren schnell, zwei, drei oder vielleicht noch mehr Drinks geworden. Deshalb hatte sie am nächsten Morgen auch prompt verschlafen. Und sie war mit dem Schock ihres Lebens aufgewacht.

Es war bereits neun und ihre neue Bekanntschaft hatte bereits das Zimmer verlassen. Auf dem Nachttisch lagen dreihundert Euro. Ihr Lohn für die Liebesdienste der vergangenen Nacht. Es war also nicht die Begegnung fürs Leben. Seine Küsse waren kein Ausdruck inniger Zuneigung, sondern ganz einfach nur körperliches Verlangen.

Doch die Enttäuschung war von kurzer Dauer und die Erfahrung führte zu einer neuen Erkenntnis. Männer waren also bereit, zweihundert Euro für einen nächtlichen Fick zu bezahlen. Männer, wie man sie zu Dutzenden in der Hotelbar findet. Dreihundert Euro pro Nacht das macht … auf jeden Fall weit mehr als sie in ihrem Job jemals verdienen würde. Auch in ihrer Heimatstadt gab es noble Hotels. Eine Frau wie sie sollte es also leicht haben, sich den einen oder anderen Hunderter dazu zu verdienen.

Ist Kerstin damit eine Nutte? Vermutlich wird es jeder so sehen. Aber was ist mit den Anderen? Wo hört die Schlampe auf und wo fängt die Nutte an? Was unterscheidet eine Frau, die sich für Sex beschenken lässt von einer, die ihren Lohn in bar erhält? Was ist mit den Frauen, die auf ältere Männer stehen, weil da eben mehr zu holen ist? Und was mit denen, die ausschließlich an Männern interessiert sind, die ihnen sozialen Aufstieg und ein Leben in Wohlstand versprechen? Wann werden Geschenke zur Bezahlung? Und was ist mit den unzähligen Hausfrauen, die sich von ihrem Mann aushalten lassen und bei der Scheidung noch die Hälfte seines Vermögens einfordern?

Die Frau ist um des Mannes willen da, heißt es in der Bibel und auch der Koran drückt sich ähnlich aus. Kann es sein, dass sich daran seit tausenden von Jahren eigentlich nichts geändert hat? Ging es Frauen immer nur darum, durch einen Mann das zu erreichen, was sie aus eigener Kraft nie erreichen würden? Sind die Frauen, die es aus eigener Kraft zu etwas bringen wollen, eigentlich die Dummen, die das spiel nicht verstanden haben?

Man wird es wohl der Beurteilung des/der Einzelnen überlassen müssen.