Werbung: Was früher nur lästig war, nervt heute total

Werbung ist immer da, wo die Zielgruppe ist. Und sie ist umso wirksamer, je genauer sie diese Zielgruppe erreicht. Früher schaltete man dafür Anzeigen und nahm in Kauf, dass ein Teil der Auflage die falschen Leute erreichte und damit dieser Teil der Werbekosten wirkungslos verpuffte. Heute ist das Internet das wichtigste Medium und die global Player haben ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, um die Datenspur, die jeder von uns ständig hinterlässt, möglichst gewinnbringend zu nutzen. Das Ergebnis ist teilweise recht fraglich.

Jeder kennt das Spiel: man liest einen Vergleichstest über Kopfhörer und wenig später wird man penetrant mit Anzeigen verfolgt, in denen es um Kopfhörer geht. Noch schlimmer ist es, wenn man den Kopfhörer bereits gekauft hat und Amazon trotzdem meint, weiter dafür werben zu müssen. Oder wenn man sich endlich entschieden und eine Urlaubsreise gebucht hat, um dann mit jedem Klick gesagt zu bekommen, wo man statt dessen hätte hinfahren können.

Ich sehe meine Liebste gerne in hübschen Sachen. Kurz vor Weihnachten habe ich daher bei Lascana & Co. gestöbert. Es ging um edle Dessous, denn ich wollte, dass sie sich gut fühlt und gleichzeitig für mich eine Augenweide ist. Das Ganze sollte natürlich eine Überraschung sein. Doch genau die ist leider völlig daneben gegangen. Als sie nämlich wieder einmal meinen Notebook nutzte, um schnell etwas nachzuschlagen, wusste sie ganz genau, wonach ich zuvor gesucht hatte. Eine Überraschung war es danach nicht mehr und ihr Blick sagte alles, als ich ihr hübsch weihnachtlich eingepackt das Geschenk überreichte.

Ich weiß natürlich, wie das Spiel funktioniert und welche Techniken da am Werkeln sind. Retargeting nennt man das in der Branche. Man versucht, einen Interessenten so lange mit seinem Wunsch zu konfrontieren, bis er nicht mehr widerstehen kann und endlich kauft. Das hört zwar irgendwann wieder auf. Doch es kann Tage dauern, oder auch Wochen. Je nachdem, welchen Zeitraum oder welche Anzahl von Klicks der Werbende gebucht hat.

Werbung ist natürlich wichtig, denn irgendwie muss ein Unternehmen ja seinen potenziellen Kunden sagen, was es Tolles zu verkaufen hat. Aber wenn Werbung als penetrant empfunden wird, kann ein möglicherweise latent vorhandenes Interesse auch ganz schnell in Abneigung umschlagen.

Wobei so mancher Internet-Nutzer auch ein ganz ungutes Gefühl bekommt, wenn er die Werbung sieht, die ihm ständig auf den Bildschirm gespült wird. Zum Beispiel, wenn er sich nur über ein bestimmtes Zahnproblem informieren wollte und plötzlich von allen möglichen Versicherungen eine Dental-Zusatzversicherung angeboten bekommt. Die Basis dafür heißt Tracking und allein Facebook kennt 18 unterschiedliche Methoden, um die Datenspur seiner Nutzer zu verfolgen und in nutzbare Informationen zu verwandeln. Und das nicht nur, solange er auf der eigenen Plattform Beiträge liest und etwas schreibt. Auch die Mausbewegungen am Desktop geben Hinweise. Genauso, wie Dateinamen und Dateiformate und eine Analyse der Geräte, die sich gerade im selben WLAN befinden. Denn sobald zwei Computer miteinander verbunden sind, fließen Daten, von denen der Nutzer kaum eine Ahnung hat.

Ich halte das für relativ ungefährlich, solange es nur um Unternehmen geht, die herausfinden wollen, was sie mir anbieten können, um auf legale Weise an mein Geld zu kommen. Kritisch wird es erst dann, wenn die Regierung am Werk ist. Denn die hat meist keine guten Absichten, wenn sie sowohl legale als auch illegale Mittel nutzt, um die Bürger auszuspähen. Da können Politiker noch so sehr beteuern, sie wollten doch nur Kriminalität bekämpfen.

Wobei die personalisierte Werbung zwar manchmal recht lästig, aber irgendwie doch noch einigermaßen erträglich ist. Für viel nerviger halte ich das, was die Verlage mittlerweile praktizieren. Die Fantasielosen unter ihnen, die mir nur den Teaser-Text eines Artikels zeigen, um mich dann forsch zum Abschluss eines Abonnements aufzufordern, stehen ohnehin auf meiner schwarzen Liste. Die klicke ich schon gar nicht mehr an, auch wenn die Meldung noch so interessant ist. Einfach lächerlich, wenn eine Provinzzeitung wie die Lübecker Nachrichten meint, ich würde für Nachrichten bezahlen, die aus irgend einem zentralen Redaktionspool stammen und genau die Meinung widerspiegeln, die man in der übrigen Mainstream-Presse auch findet.

Doch auch die übrigen Verlage sind nicht viel besser. Sie scheinen es mittlerweile geradezu darauf abgesehen zu haben, das Lesen eines Artikels zum Hürdenlauf zu machen. Manchmal plärrt sofort beim Öffnen der Seite irgend ein Werbevideo los und man muss erst mal entnervt nach der Taste suchen, um es stummzuschalten. Oder es poppen ständig irgendwelche Banner dazwischen, sodass man immer wieder umständlich mit der Maus hantieren muss, um die Fortsetzung des Textes zu finden. Besonders auf dem Tablet braucht auch so manches Zeitungsportal eine kleine Ewigkeit, bis sie ganze Anzeigenflut hochgeladen ist und überhaupt etwas zu lesen ist.

Dass auch nur eine dieser aufgezwungenen Werbebotschaften auf positive Reaktionen trifft, wage ich zu bezweifeln. Hier ist die Grenze zur Belästigung längst überschritten und das ständige Werbegewitter wird nur noch als nervig empfunden.

Aber bei Verlagen wundert mich das nicht. Die stecken eben noch immer tief in ihrer Print-Vergangenheit und meinen, man muss nur die gute alte Anzeige gegen einen Werbebanner austauschen und das Geschäftsmodell ist gerettet. Aber dazu ein andermal mehr.