Kinder: Eine Frage von Geld und Logistik

Früher wurde Hochzeit gefeiert und wenige Monate später stellte sich das erste Kind ein. Aber damals waren Frauen ja auch nur auf der Welt, um geheiratet zu werden, Kinder zu kriegen und ihren Mann glücklich zu machen. Und da Kinder aufziehen ein Langzeitprojekt ist, erschien die lebenslange Ehe als die einzig sinnvolle Form des Zusammenlebens. Ob man sich Kinder leisten kann, fragte sich damals allerdings niemand. Sie waren einfach da und wurden als gegeben hingenommen. Familienplanung war ein Fremdwort und Verhütung eigentlich unüblich.

Doch diese Denke ist Vergangenheit. Zumindest in weiten Teilen der Welt. Vor allem aber in den Ländern, in denen Mann und Frau recht unverkrampft miteinander umgehen, ohne dass irgendeine Religion dazwischen funkt. Da hat sich nämlich die Praxis durchgesetzt, dass man sich erst einmal richtig kennenlernt, bevor man heiratet. Wenn man überhaupt heiratet. Die einst so wichtige Hochzeit hat nämlich schon lange nicht mehr die Bedeutung, die sie einmal hatte. Heute begründet sie nicht mehr einen Bund fürs Leben, sondern ist bestenfalls noch ein romantisches Accessoire für Leute mit großen Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft.

Mit Kindern muss nämlich heute niemand mehr rechnen. Kinder sind heute entweder gewollt, oder sie sind die Folge von Leichtsinn, wie er eigentlich im Zeitalter der Verhütung nicht mehr vorkommen sollte. Moderne Paare überlegen sich heutzutage ganz genau, ob sie sich Kinder leisten wollen oder nicht. Da spielen zwar manchmal weibliche Instinkte oder männliche Egobedürfnisse eine Rolle. Die Entscheidung wird aber letztendlich nach sachlichen Gesichtspunkten getroffen. Denn ein Kind, so die Erkenntnis im 21. Jahrhundert, kostet nicht nur richtig Geld. Es krempelt auch das gesamte Leben um und muss daher wirklich gewollt sein, um Freude zu machen. 

Früher hielt man es einfach für gottgewollt, wenn sich ein Kind nach dem anderen einstellte. Die Frage, ob man sich ein weiteres Kind auch leisten konnte, stellte sich da niemand. Heute sind Kinder nicht selten eine Frage von entweder oder. Entweder man hat dafür genügend Einkommen oder man muss sich wirtschaftlich einschränken. Entweder die Frau wird zur Vollzeit-Hausfrau oder sie tut sich den Stress einer Doppelbelastung an und versucht Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Entweder man genießt das Leben in unbeschwerter Zweisamkeit oder man lässt sich für viele Jahre auf ein Leben mit erheblichen Einschränkungen ein.

Denn Kinder stellen Forderungen und sie stellen sie auf eine Art und Weise, der man sich nicht entziehen kann. Im Windelalter verlangen sie Aufmerksamkeit rund um die Uhr und sorgen mit hemmungslosem Geschrei dafür, dass sie nicht ignoriert werden. Im Krabbelalter beginnen sie damit, ihre Umwelt zu erforschen und verwandeln alles in Greifweite in ein Dauerchaos. Von wertvollen Möbeln haben sie keine Ahnung und dass es am Herd schmerzhaft heiß sein kann, lernen sie erst auf dem Erfahrungsweg. Sobald sie in der Lage sind, Äußerungen von sich zu geben, die mehr als unverständliche Laut sind, dominieren sie jede heimische Kommunikation und maßen sich an, überall mitreden zu können. 

Das Paar, das sich diesen Stress angetan hat, hat mittlerweile einen Zustand am Rande des Nervenzusammenbruchs erreicht. Der Alltag verläuft weitgehend fremdbestimmt, denn so ziemlich alles dreht sich um das Kind oder gar die Kinder. Erschöpfung lähmt die noch verbliebenen Momente der Zweisamkeit. Die Lust aufeinander ist irgendwann verkümmert und im Bett läuft bestenfalls noch das Notprogramm. Wer jetzt keine Eltern und Schwiegereltern hat, wird völlig verlernenb, was es heißt, sich Zeit füreinander zu nehmen. Außerdem droht Eltern, die völlig auf sich allein angewiesen sind, die soziale Isolation und ein Leben mit extrem engem Wahnehmungshintergrund. 

Dabei dominieren unter Eltern vor allen zwei Lebensmodelle: Entweder man entscheidet sich zur strikten Aufgabenteilung, was normalerweise heißt, dass er Karriere macht und für die finanziellen Ressourcen sorgt, während sie zur Nur-Hausfrau mutiert. Oder beide zeigen sich kompromissbereit und versuchen, ihre beruflichen Ziele und Kindererziehung irgendwie unter ein Dach zu bringen. Wobei jedes Modell seine spezifischen Stärken und Schwächen hat und so manche einst harmonische Beziehung auf eine harte Probe stellt. Denn, wie gesagt, ein Kind verlangt eigentlich die ständige Rundum-Betreuung und es vergeht mindestens ein Jahrzehnt, bis sich daran wirklich etwas ändert. 

Frauen, die alles aufgeben, um sich fortan ausschließlich ihrer Mutterrolle zu widmen, laufen Gefahr, im Laufe der Zeit – man verzeihe mir den Ausdruck – zu verblöden. Ihr Erfahrungshorizont engt sich immer mehr ein und Ihre Gespräche sind irgendwann auf wenige Themen beschränkt, die sich alle irgendwo zwischen Spielplatz und Kindergarten bewegen. Der Mann, der ursprünglich eine Frau mit Niveau geheiratet hat, mit der er sich durchaus auf Augenhöhe austauschen konnte, sieht sich dabei zunehmend mit einer reinen Hausfrau konfrontiert, mit der ein tieferer Gedankenaustausch kaum noch möglich ist. Wobei sich viele Hausfrauen im Laufe der Jahre an diesen Zustand gewöhnen und auch dann, wenn das Kind endlich selbstständig geworden ist, kein Bedürfnis verspüren, wieder Teil der Arbeitswelt da draußen zu werden. Wozu auch? So ein stressfreies Leben auf Kosten des Mannes hat doch durchaus seine Vorteile. 

Dazu kommt, dass sich viele Frauen nach einer Geburt auch äußerlich deutlich verändern und das selten zu ihrem Vorteil. Nicht selten wird das begehrenswerte Weib von damals zum unförmigen Muttertier, von dem kaum noch erotische Reize ausgehen. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, tendieren Vollzeitmütter dazu, ihren einst sorgfältig ausgewählten Kleidungsstil auf zeitlos, praktisch und pflegeleicht zu reduzieren. 

Das Ergebnis sind Männer, die den ganzen Arbeitsalltag lang von weiblichen Wesen umgeben sind, die sich alle Mühe geben, Blicke und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um dann Abend für Abend zu einer Ehefrau zurückzukehren, die es nicht mehr für erforderlich hält, irgend jemand zu beeindrucken oder sich gar für ihren Mann zurechtzumachen. Da ist es dann kein Wunder, dass die meisten Männer irgendwann der Versuchung erliegen und sich von Zeit zu Zeit das erotische Erlebnis gönnen, das zu Hause bestenfalls noch in der Fantasie stattfindet. Das heißt, wenn sie sich nicht für den ganz harten Schnitt entscheiden und eine neue Beziehung beginnen. Mit der festen Absicht, dieses Mal alles anders zu machen. 

Entscheiden sich das Paar dazu, der heutigen Mainstream-Denke zu folgen und das geplante und gewollte Kind als gemeinsames Projekt anzusehen, werden sie meist recht schnell mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die so eigentlich nicht gedacht war. Ohne schmerzhafte Kompromisse lässt sich dieser Weg nämlich nicht beschreiten. Meist bleibt für beide die Karriere auf der Strecke, denn jeder Mensch hat nur ein bestimmtes Energiepotenzial und wenn davon ein Kind die Hälfte für sich beansprucht, ist ein hohes Engagement im Beruf eben nicht mehr drin. In der Praxis bedeutet, das, dass  zwar keiner von  beiden seinen Beruf aufgeben musste. Aber dafür treten beide für lange Zeit auf der Stelle. Von den begrenzten finanziellen Möglichkeiten ganz zu schweigen.

Dazu kommt ein nicht unerheblicher logistischer Aufwand. Ein Kind, das nach ständiger Betreuung verlangt, nimmt eben auch im Tagesablauf seiner Eltern eine dominierende Rolle ein. Kann man nicht einen Teil des Aufwandes an Opa und Oma auslagern, kann die Situation schnell heikel werden. Zwar kann man zumindest im urbanen Raum den Nachwuchs morgens im Kindergarten abgeben, um ihn erst nach Feierabend wieder zu übernehmen. Aber schon eine simple Erkältung genügt, um zu Plan B wechseln zu müssen. Bei Angestellten müssen dann wertvolle Urlaubstage für Kinderbetreuung verbraten werden. Bei Freiberuflern bleiben Termine auf der Strecke und Kunden werden ungeduldig. Alles hat eben seinen Preis. 

Wobei es ja nicht nur der Alltag ist, der von einem Kind voll und ganz dominiert wird. Auch die Wochenenden sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Von einem spontanen abendlichen Kneipenbesuch ganz zu schweigen. Das alles ist entweder gestrichen oder will langfristig geplant und gut organisiert sein. Denn nicht immer hat der Babysitter Zeit, wenn man ihn braucht und auch die eigenen Eltern kann man nicht beliebig oft strapazieren, nur weil man den schlafenden Nachwuchs noch nicht allein lassen kann. Ein Grund, weshalb Eltern meist nur mit anderen Eltern verkehren und so manche alte Freundschaft verblasst, weil sich Singles lieber mit Singles treffen und alle anderen irgendwann einfach nicht mehr anrufen, weil sie genau wissen, dass ein Abend mit der alten Clique für Eltern ein ernsthaftes logistisches Problem darstellt. 

Bis aus dem Kind endlich ein Jugendlicher geworden ist, den man auch mal eine Nacht allein lassen kann, vergehen viele Jahre. Meist zu viele, um an die vergangenen Zeiten wieder anknüpfen zu können. Ein Großteil des einst unbeschwerten Lebens geht also unweigerlich verloren, sobald einmal die Entscheidung getroffen ist, aus der Beziehung zu Zweit eine Familie zu Dritt oder zu Viert zu machen. 

Das schließt auch die Urlaube ein, die früher das Jahr aufgelocktert und den stressigen Job erträglich gemacht hatten. Spottbillige Last-Minute-Buchungen sind nicht mehr drin. Verreisen kann man nur noch, wenn Schulferien sind und damit genau zu den Zeiten, in denen all die anderen Eltern auch unterwegs sind und damit den marktwirtschaftlichen Gesetzen folgend die Preise hoch treiben. Außerdem wollen diese „Familienurlaube“ langfristig geplant werden, sodass erholungshungrige Eltern meist schon nach Weihnachten darüber nachdenken, wo es im nächsten Sommer hin gehen soll. Ein spontaner Wellness-Urlaub zu Zweit? Gestrichen. Ein spontaner Kurzurlaub am verlängerten Wochenende? Vergiss es.

Ganz nüchtern betrachtet ist der Übergang vom Paar zum Elternpaar also eher mit Nachteilen als mit Vorteilen verbunden. Ein Umstand, der sich mittlerweile herumgesprochen hat und schon seit Jahren die Demografie beeinflusst. Während eigentlich nur noch in unterentwickelten Ländern Kinder ohne Sinn und Verstand produziert werden, wissen die Menschen des Informationszeitalters sehr gut, was auf sie zukommt. Ungewollte Kinder gibt es eigentlich nur noch in der Unterschicht, wo der Sozialhilfesatz Verhütungsmittel zum Luxusgut macht und im Alkoholnebel nicht immer die klügsten Entscheidungen entstehen. Hier findet man auch die Mehrzahl der ledigen Mütter, die sich mit dem falschen Mann eingelassen haben und nun ihren Leichtsinn ausbaden müssen. Und hier stößt man auf die Einfachdenker unter den Frauen, die noch immer glauben,mit einem Kind die Beziehung festigen und den Mann an sich binden zu können. 

Vor zwei Generationen galt Kinderlosigkeit als ein Makel. Damals ging man davon aus, dass es allein gesundheitliche Gründe sind und keine Medizin der armen Frau einfach helfen konnte. Heute ist es gerade die Medizin, die Kinderlosigkeit hervorruft. Und zu einem nicht unerheblichen Teil auch die veränderte wirtschaftliche Situation. Denn mittlerweile sind nur noch wenige Männer in der Lage, mit ihrem Gehalt nicht nur das eigene Leben, sondern auch das einer einkommenslosen Frau und sämtlicher mit ihr gezeugten Nachkommen zu finanzieren.

Da fällt vielen Paaren die Entscheidung leicht, auch wenn sie vielleicht nicht immer ganz freiwillig erfolgt.