Lebenslinien: Zeit der sequentiellen Monogamie

Früher war die Sache klar: man suchte sich, man fand sich, man heiratete und die Weichen fürs Leben waren gestellt. Das war auch gut so, denn wenn zwei sich liebten, dauerte es nicht lange und es deutete sich neues Leben an. Also musste man klare Strukturen schaffen. Es galt, Verantwortung zu übernehmen und man einigte sich auf eine praktische Arbeitsteilung, die normalerweise darin bestand, dass er das Geld heranschaffte und sie sich um die Kinder kümmerte. Man nannte es Moral, aber in Wirklichkeit war es nur Pragmatismus. Bis die Pille kam und alles veränderte.

Es ist ja nicht so, dass die gute alte Ehe ein Auslaufmodell ist. Ganz im Gegenteil, die Zahl der Eheschließungen nimmt sogar zu, auch wenn die Steigerung recht moderat ausfällt. Doch die Zeiten, da eine Ehe als göttliches Gesetz angesehen wurde, sind längst vorbei. Heute nehmen das nur noch ein paar Fundamentalisten ernst, während der Mainstream eine Hochzeit vor dem Traualtar gerade mal als folkloristische Einlage ansieht.

Mittlerweile werden gut 40% aller Ehen nach ein paar Jahren wieder geschieden. Wenn man das statistische Bundesamt fragt, liegt die durchschnittliche Haltbarkeitsdauer bei 15 Jahren. Dort erfährt man auch, dass die meisten Ehescheidungen schon nach 6 Jahren eingereicht werden. Bis dass der Tod euch scheidet ist also eher ein Wunschtraum als die Realität und man muss sich fragen, ob denn dieses Vertragswerk namens ehe heute überhaupt noch zeitgemäß ist.

Pragmatische Naturen werden das sicher verneinen. Doch dabei handelt es sich allerdings meist um Männer, die wohl von Natur aus einen eher nüchternen Blick auf das Leben haben. Frauen hingegen lieben es, geheiratet zu werden. Sie halten das für den größten Liebesbeweis überhaupt, auch wenn es nur noch eine verschwindend kleine Minderheit gibt, die den Mann erst ran lassen, wenn er unterschrieben hat. Doch auch die anderen werden meist nur deshalb geheiratet, weil er irgendwann ihrem Drängen nachgegeben hat. Oder weil sie ihm ein Kind angehängt hat. Mit anderen Worten: hier ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Form von Nötigung im Spiel.

Es hält sich nämlich unter Frauen hartnäckig das Gerücht, dass man einen Mann nur per Heirat dauerhaft an sich binden kann. Und dass er sich ein Leben lang verpflichtet fühlt, wenn aus der Zweisamkeit eine Familie geworden ist. Beides Annahmen, die einer näheren Analyse nicht standhalten, wie jeder Scheidungsrichter weiß. Es gibt zwar Männer, die eine tote Beziehung aufrecht erhalten, weil es da ein Haus gibt, das man irgendwie nicht hergeben will. Oder weil die Trennung von einer Frau mit Kindern eine verdammt kostspielige Angelegenheit ist, die bis zur Privatinsolvenz führen kann. Aber es gibt mindestens genauso viele, die sich von solchen materiellen Nachteilen nicht beeindrucken lassen.

Das sind dann die Kandidaten für die serielle Monogamie. Es ist nämlich ein Vorurteil, dass Männer grundsätzlich polygam veranlagt sind und eine amoralische Ader in sich tragen, die sie veranlasst, ihren Samen möglichst breit in alle Welt zu verteilen. In Wirklichkeit sind Männer nämlich Gewohnheitstiere. Sie schätzen es durchaus, wenn es da einen ruhenden Pol im Leben gibt, ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt und ein Weib, das einfach da ist, ohne dass man sich immer wieder um sie bemühen muss. Aber Männer brauchen auch etwas zum Ficken und wenn das zu Hause zum Problem wird, halten sie eben die Augen auf und sind bereit für neue Abenteuer.

Die meisten Frauen lassen sich nämlich gehen, sobald sie sich erst einmal häuslich in ihrer Ehe eingerichtet haben. Sie machen sich nur noch hübsch, wenn es einen besonderen Anlass dafür gibt. Und ihr Verlangen nach Sex nimmt mit den Jahren ab, bis es faktisch nicht mehr vorhanden ist. Ganz abgesehen davon, dass eine Frau nun mal sichtbar an Attraktivität einbüßt, sobald sie in die Jahre gekommen ist. Meist hat sie sich bereits nach dem ersten Kind vom Hingucker zum Weggucker gewandelt, ohne dass sie das wahrhaben will.
Die eigentlich logische Folge ist, dass Mann immer unzufriedener wird und der Leidensdruck irgendwann so groß ist, dass er gar nicht anders kann, als eine Lösung zu finden. Die wiederum kennt nur zwei Ausprägungen: Entweder er wahrt den Schein und belässt alles, wie es ist, während er sich eine heimliche Geliebte nimmt, die seine Libido wieder aufleben lässt. Oder er zieht einen Schlussstrich und fängt ein komplett neues Kapitel an.

Wobei das mit der Geliebten aufregender klingt als es in der Praxis ist. Auf die Dauer ist es nämlich ein recht großer logistischer Aufwand, zwei Leben zu leben, die nicht miteinander kollidieren dürfen. Da müssen ständig Überstunden erfunden werden, die keine sind, nur um Zeit für einen schnellen Fick zu haben. Es müssen ständig irgendwelche Geschäftsreisen inszeniert werden, um der Geliebten mal wieder Gelegenheit zu geben, sich geliebt zu fühlen. Und es besteht immer die Gefahr, dass sie Ambitionen entwickelt, selbst zu Hauptfrau zu werden.

Das ist den meisten Männern einfach  zu stressig und sie sagen lieber tschüss und orientieren sich komplett neu. Jedes Ende ist ein neuer Anfang, lautet ihre Devise und jede neue Beziehung beginnt mit einem erotischen Zauber, der die Lebensgeister weckt und neue Energien freisetzt.

Das Ganze hat den Vorteil, dass Mann vom weiblichen Alterungsprozess weitgehend verschont bleibt. Denn die Neue wird natürlich ein paar Jahre jünger sein, als die Verlassene und wenn sich das Spiel alle paar Jahre wiederholt, hat er einen ständigen Jungbrunnen an seiner Seite, der das Leben lebenswert macht. Denn ein Mann behält sehr lange seine Attraktivität bei, während eine Frau nur eine recht kurze Blütezeit hat, nach der sie unweigerlich zu welken beginnt.

Es hat also durchaus konkrete Gründe, weshalb die meisten Ehen nach 6 Jahren zu Ende sind. Eine Ehe ist eben heute keine Zweckgemeinschaft mehr, bei der er für die wirtschaftliche Basis sorgt, während sie die Dienerin an seiner Seite spielt. Sie ist eher eine Gemeinschaft auf Zeit und hat meist ihre Funktion erfüllt, sobald der betreffende Lebensabschnitt zu Ende ist. Es macht daher durchaus Sinn, monogam zu leben und sich von Zeit zu Zeit neu auszurichten. Wobei man es natürlich weiterhin auch anders sehen kann. Immerhin werden 60 % aller Ehen nicht geschieden und viele Paare sind durchaus glücklich bis der Tod sie scheidet. Aber eben nicht alle.