Corona: Die Zukunft liegt im Home Office

Auch Unternehmen hängen an alten Gewohnheiten. Eine davon lautet, dass Mitarbeiter an ihrem Schreibtisch zu sitzen haben und zwar nach genau geregelten Arbeitszeiten. Der Ausnahmezustand rund um Corona hat jedoch gezeigt, dass es durchaus auch anders geht. Einem PC ist es nämlich egal, wo er steht und die meisten Mitarbeiter können das, was sie im Büro damit tun, völlig problemlos auch zu Hause erledigen.

Mussten früher noch Papiere von Schreibtisch zu Schreibtisch geschaufelt werden, werden Arbeitsprozesse heute vollständig im Computersystem abgebildet. Formulare werden am Bildschirm ausgefüllt und auch Entscheidungen werden nach Daten getroffen, die auf dem Schirm erscheinen. Die Mitarbeiter sitzen zwar noch Tisch an Tisch im selben Großraumbüro. Aber zwingend ist das schon lange nicht mehr.

Weniger Büros, weniger Verkehr, weniger Stau

Die leeren Straßen zu Corona-Zeiten demonstrierten auf recht eindrucksvolle Weise, wie es zur Rush Hour draußen aussehen könnte, wenn es keine Rush Hour mehr gäbe. In normalen Zeiten wird das zwar nicht ganz so deutlich sichtbar werden, aber man braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Verkehrsentlastung damit verbunden wäre, wenn all die Menschen, die eigentlich den ganzen Tag lang nur vor ihrem Bildschirm sitzen, in Zukunft dieselbe Tätigkeit von zu Hause aus erledigen würden.

Der repräsentative Firmensitz im gläsernen Büropalast bestimmt zwar immer noch das Bild der Städte, aber nicht erst seit Corona denken Firmenlenker darüber nach, dass sie all den Beton eigentlich gar nicht brauchen. IBM hat schon vor vielen Jahren den festen Arbeitsplatz abgeschafft. Bei anderen Firmen ist es egal, wann und wo man arbeitet, so lange der Job gemacht wird. Außendienstler arbeiten meist grundsätzlich von zu Hause aus und lassen sich nur zu besonderen Anlässen in der Firma sehen. Und dann gibt es sogar Unternehmen, die völlig virtuell existieren und über Teamwork-Plattformen miteinander kommunizieren.

Die Digitalisierung ist in großen Schritten dabei viele Bereiche unseres Lebens zu entmaterialisieren. Im Medienbereich hat sie es schon weitgehend geschafft. Kaum jemand kauft sich heute noch eine CD, wenn er Musik hören will oder legt eine DVD ein, wenn er einen Film sehen will. Selbst um ein Buch oder die Zeitung zu lesen, muss man sich heute in keinen Laden mehr bemühen. Alles, was sich digitalisieren lässt, kann man heute streamen oder herunterladen. Am Ende landen Buchstaben, Töne und Bilder auf einem Tablet, Smartphone oder Notebook und können frei von Ort und Raum überall konsumiert werden.

Es hat noch keiner nachgerechnet, wie viele Leute heute nicht mehr die Shopping Center frequentieren, weil es ihnen einfach zu zeitraubend und umständlich ist. Und niemand weiß, wie viel Verkehr nicht mehr die Innenstädte belastet, weil die Leute nicht mehr zur Videothek fahren, bestellte Bücher im Buchladen abholen oder andere Dinge kaufen, die sie auch im Internet bestellen können.

Auch die Virtualisierung der Arbeitswelt kann zu diesem Trend beitragen. Vernetzung statt Anwesenheit heißt das Stichwort und die Entwicklung dahinter hat weitreichende Folgen. Denn wo immer mehr Menschen nicht mehr körperlich anwesend sein müssen, um ihrer Arbeit nachzugehen, braucht man auch immer weniger Infrastruktur – vom Straßennetz bis zum ÖPNV und vom Bürohochhaus bis zur weitläufigen Tiefgarage.

Ein Monitor kann überall stehen

Die Virtualisierung der Arbeitswelt klappt natürlich nicht überall. So mancher kreative Prozess verlangt den direkten Dialog unter Menschen und immer wenn irgendwelche Geräte und Maschinen im Spiel sind, verlangen die meist auch eine spezielle Infrastruktur und müssen daher in einem bestimmten Raum stehen. Der Bäcker wird also seine Brötchen nicht zu Hause backen können und alle, die irgend etwas montieren und produzieren, werden das wohl auch weiterhin vor Ort machen müssen.

Völlig anders sieht es mit dem ganzen administrativen Oberbau aus, der zu jedem Unternehmen gehört. Ob Einkauf oder Vertrieb, Buchhaltung oder Personalabteilung, die Masse der Routinearbeiten muss durchaus nicht in einem bestimmten Raum im fünften Stock eines bestimmten Gebäudes erfolgen, auf dessen Dach der Firmenname steht. Recruiting läuft ohnehin schon längst im Internet. Auch Kunden findet man nicht im Vertriebsbüro sondern irgendwo da draußen im Markt. Auch der Einkäufer tut heute nicht viel mehr, als im Web zu recherchieren, eMails zu verschicken und zu telefonieren. Und Buchhalter haben schon lange keine Kontokarten mehr, sondern geben einfach Daten in irgendwelche Computermasken ein. Da wo administrative Vorgänge noch mit Papier verbunden sind, wird dieses meist eingescannt und geistert fortan nur noch als PDF durch die Datenwelt.

Selbst Behörden haben das mittlerweile erkannt und bemühen sich redlich, ihren Papierkrieg in einen Datenkrieg zu verwandeln. Dass sie noch immer gewaltige Bürokomplexe bevölkern liegt vor allem daran, dass sie es eben noch nicht geschafft haben, alle administrativen Vorgänge im Computer abzubilden. Deshalb brauchen sie eben immer noch viel Platz für viel Papier, das selten mehr tut als einfach in irgend einem Ordner zu verstauben.

Kreativarbeiter gestern und heute

Als ich mich Anfang der 90er Jahre selbstständig machte, waren die Schreibmaschinen gerade vom Computer ersetzt worden. Auch meine Texte als technischer Journalist, Texter und Übersetzer entstanden bereits ausnahmslos am Bildschirm. Nur musste man sie damals für den weiteren Kommunikationsprozess noch auf Diskette verschicken und ich musste viel durch die Lande reisen, um irgend etwas zu besprechen.

Heute ist es schon ein Höhepunkt des Tages, wenn ich mal mit einem Kunden telefoniere. Eine Telefonkonferenz ist geradezu ein Event und eine persönliche Besprechung vor Ort kommt vielleicht zweimal im Jahr vor. Alles andere lässt sich unter dem Stichwort Internet beschreiben. Was ja irgendwie auch logisch ist. Wer etwas schreibt, schreibt es eben heute auf dem PC. Er verschickt es per eMail und schreibt es letztendlich für das Medium, das alles möglich gemacht hat. Wenn ich heute meine Liste an Referenzen ansehe, finden sich dort kaum noch Print-Produkte, dafür aber unzählige Websites, auf denen man meine geistigen Ergüsse nachlesen kann.

Dabei bin ich durchaus keine Ausnahme. Die gesamte Kreativbranche hat sich vom Papier losgelöst. Zwar werden noch immer Bücher gedruckt, aber gelesen werden sie eigentlich nur noch von Leuten, die von ihren alten Gewohnheiten noch nicht losgekommen sind. Eine Entwicklung, die bei den Zeitungen schon deutlich weiter fortgeschritten ist. Ein Blick in den ICE genügt und man weiß, was die Leute lesen. Oder besser gesagt, wie sie lesen, denn einem Smartphone, Tablet oder Notebook sieht man eben nicht an, welche Bilder oder Buchstaben gerade das Display ausfüllen.

Auch Kommunikation und Information sind eben mittlerweile entmaterialisiert. Dafür muss man heute keine Bäume mehr fallen, um Papier daraus zu machen. Man muss keine tonnenschweren Druckmaschinen anwerfen, um Farbe auf das Papier zu bringen. Und man muss nicht tonnenweise Papierpaletten durch die Gegend karren, nur damit am Morgen die Zeit, der Stern, die Spiegel oder was immer am Kiosk liegt.

Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, welcher gewaltige Energieaufwand damit obsolet geworden ist? Wie viel Verkehr nicht mehr stattfindet? Wie viele Ressourcen einfach nicht mehr benötigt werden? Der Stromverbrauch für Server und Endgeräte macht das bestimmt bei weitem wett.

Wobei ein Aspekt bei all dem noch völlig unbeachtet geblieben ist. Wo Menschen weniger miteinander interagieren, wo sie nicht mehr Schreibtisch an Schreibtisch arbeiten und sich ständig am Besprechungstisch gegenüber sitzen und wo sie nicht eingepfercht in der U- und S-Bahn in die Stadt fahren – da haben auch Viren weniger Chance, sich ungehindert zu verbreiten.