Laut Wörterbuch steht der englische Begriff Stealth für Heimlichkeit. Bekannt wurde er vor allem durch die amerikanischen Tarnkappenbomber, die sich vom Radar des Feindes kaum erfassen lassen und dadurch in der Lage sind, ihre Präsenz geschickt zu verbergen.
Doch auch im Campingbereich taucht der Begriff immer häufiger auf. Gemeint sind dann Wohnmobile, die geschickt die Tatsache verbergen, dass es sich um solche handelt. Ganz einfach, weil sie auf dem ersten Blick nicht als Wohnmobile zu erkennen sind und daher auch nicht den Handlangern von Behörden auffallen, die dieser Urlaubsform den Kampf angesagt haben. Die Gemeinden stehen nämlich Wohnmobilen nur solange positiv gegenüber, wie sich damit Geld verdienen lässt. Hier in Travemünde ist ein neues, großes Parkareal entstanden, in dem ein Wohnmobil neben dem anderen steht.
Ob es wirklich eine erstrebenswerte Form von Urlaub ist, dicht an dicht auf einem Parkplatz seinen Urlaub zu verbringen, sei dahingestellt. Camping mit Bezug zur Natur ist das auf jeden Fall nicht. Daher darf man auch keinen Campingtisch aufstellen, denn „campingtypisches Verhalten“ ist untersagt. Man ist heute als Wohnmobilist ausschließlich als Parkgebührenzahler willkommen und das war’s auch schon.
Clevere Leute haben daher das Stealth-Camping entdeckt. Bei Youtube gibt es einen selbstständigen Monteur von Solaranlagen, der in einem Transporter mit Werbeaufschrift lebt. Den stellt er abends ganz einfach und völlig ungestört auf einem Supermarkt-Parkplatz ab. Aber auch der eine oder andere kleinere Wohnmobil-Hersteller hat sich dem Trend verschrieben. Wo ein Markt ist, gibt es eben irgendwann auch ein passendes Angebot.
https://www.youtube.com/embed/w5eEQfVn1QM?feature=oembedEin amerikanischer Handwerker lebt in einem Truck, den keiner für ein WoMo hält
Ideal zum unauffälligen Wohnen sind Transporter mit bereits fest eingebauten Fenstern. Fahrzeuge mit den üblichen Kunststofffenstern, wie sie in der Campingwelt üblich sind, fallen dem geübten Auge sofort als Wohnmobil auf und sind folglich für den Stealth-Camper tabu. Selbstausbauer und spezialisierte Fahrzeughersteller setzen daher gerne auf den Mercedes Sprinter, den man schon ab Werk mit extrem dunkel getönten Seitenfenstern haben kann. Den bei Campern beliebten Fiat Ducato kann man immerhin mit dunkel getönten Heckscheiben bestellen.
Wenn so ein Transporter in neutral weißer Lackierung und vielleicht sogar mit einer fantasievollen Beschriftung irgendwo auf dem Parkplatz steht, denkt vermutlich niemand an einen Camper auf Citytour, sondern eher an das Fahrzeug eines Handwerkers, der irgendwo in der Nähe seiner Arbeit nachgeht.
So ein Fahrzeug im betonten Transporter Look kann man praktisch überall abstellen, ohne den Argwohn der Leute vom feindlich gesinnten Ordnungsamt zu wecken. In vielen Gemeinden hat man nämlich mittlerweile eine Regel erlassen, nach der Wohnmobile nur noch auf speziell dafür ausgewiesenen Parkplätzen stehen dürfen. Aber wenn das Wohnmobil nicht als solches zu erkennen ist, ist es auch eher unwahrscheinlich, dass ein Uniformierter im Gemeindeauftrag die wohlverdiente Nachtruhe stört.
https://www.youtube.com/embed/P1ugaDnku0Q?feature=oembedUnauffällige Optik für ungestörtes Camping mitten in der Stadt
Wobei man auch schon mit wenigen Mitteln viel erreichen kann, um ein handelsübliches Fiat Ducato Wohnmobil von seinem auffälligen Camping-Look zu befreien. Vielleicht lässt sich ja das Fahrzeug schon bei der Bestellung ohne jegliche Zierstreifen ordern. Wenn man dann noch bündig eingebaute Seitenfenster wählt, muss man schon zweimal hinsehen, um in dem Fahrzeug ein Wohnmobil zu erkennen. Entscheidet man sich für eine Unterflur-Dieselheizung anstelle des üblichen Truma Aggregats, dann fällt auch die verräterische Lüfteröffnung an der linken Fahrzeugseite weg.
Natürlich sollte man bei einem Stealth-Camper auf einen verräterischen Fahrrad-Heckträger verzichten. So etwas hat nämlich kein Handwerkerfahrzeug und alle Bemühungen zur Tarnug sind umsonst. Wer trotzdem vor Ort mobil sein will, sollte vielleicht darüber nachdenken, ob ein oder zwei Scooter eine sinnvolle Alternative zum klassischen Fahrrad sein könnten. Auch die Fernsehantenne auf dem Dach ist natürlich für ein Wohnmobil der unauffälligen Art tabu. Genauso wie die herausklappbare Markise. Die könnte man vielleicht durch eine unauffällige Kederleiste ersetzen, in die sich auf dem Campingplatz ein Vordach einziehen lässt.
Je weniger Seitenscheiben ein Wohnmobil hat, desto besser besser die Tarnung als simples Handwerker-Fahrzeug. Ein Modell mit einem Bad ohne seitliches Fenster ist daher durchaus ein Vorteil. Auch ein Schlafbereich, der nur mit den – natürlich dunkel getönten – Heckfenstern auskommt, trägt ganz erheblich zur Unauffälligkeit bei. Die Schiebetür sollte natürlich auch mit einer tiefschwarzen Verglasung daherkommen. Notfalls genügt hier aber auch schon eine geeignete Verdunkelungsfolie. Die ist auch für die normalerweise ungetönten Seitentüren die Lösung.
Bleibt also nur noch die Windschutzscheibe als verräterisches Element. Kann man hier ungehindert die Einrichtung des Wohnmobils sehen, ist es mit der Tarnung auf einen Blick vorbei. Hier sollte also zumindest ein Vorhang für den notwendigen Sichtschutz sorgen. Aber bitte eine möglichst neutrale Ausführung und nichts, was irgendwie auf Wohnen schließen lässt.
Das Ergebnis ist dann natürlich keines der schicken Wohnmobile mit bunten Seitenstreifen, wie man sie zu Dutzenden auf den Höfen der Händler sieht. Ein Wohnmobil im Tarnmodus kommt eben eher unauffällig, um nicht zu sagen langweilig, daher. Aber irgendwie ist es auch ein ehrliches Fahrzeug. Denn im Grunde genommen dienen all die bunten Streifen doch nur dazu, einen schlichten Transporter, so gut es eben geht, als fröhliches Freizeitfahrzeug erscheinen zu lassen.
Wobei ich einen Aspekt noch ergänzen möchte: Ein Wohnmobil, das nicht schon auf den ersten Blick als solches zu erkennen ist, wird nicht nur von den Straßenräubern der Gemeinde übersehen, die seinen Besitzer zwingen wollen, einen speziell ausgewiesenen Parkplatz mit hohen Parkgebühren aufzusuchen. Es lockt auch all die anderen Räuber nicht an. Denn im Transporter eines Handwerkers vermutet niemand irgendwelche wertvollen Gegenstände, die zu einem Einbruch verlocken.
Es kann sich also in mehrerer Hinsicht auszahlen, nicht allzu sehr aufzufallen.