Gerücht: Masturbation tötet die Vagina

Früher war es die Religion, die Blödsinn verbreitete, der von der Masse der Menschen todernst genommen wurde. Vom Masturbieren würde man schwachsinnig, blind oder taub werden, hieß es zum Beispiel. Und in den Himmel würde man auch nicht kommen. Mittlerweile glaubt zwar den Pfaffen kaum noch einer. Dafür wird heute jeder Erkenntnis geglaubt, die viral und oft genug in den sozialen Medien wiederholt wird. 

Wobei interessant ist, das angebliche Problem Masturbation all die Jahrhunderte eigentlich nur in Verbindung mit Männern thematisiert wurde. Ihnen wurde dann geraten, viel Sport zu treiben und eine kalte Dusche zu nehmen, um die lüsternen Gedanken aus dem Bewusstsein zu vertreiben. Geholfen hat es nicht, denn es ist heute noch genauso populär, selbst Hand an sich zu legen, wie es im Mittelalter war. Wobei über all die lange Zeit dazwischen absolut kein Fall von Dummheit Blindheit oder Taubheit bekannt geworden ist, der nachweislich auf einen selbst herbeigeführten Samenerguss zurückzuführen ist. Die religiösen Scharfmacher haben also lediglich einen haltlosen Hype losgetreten, um den Kerlen ein schlechtes Gewissen einzureden. Menschen, die von einem schlechten Gewissen geplagt werden, sind nämlich die idealen Opfer für jede Art von Religion.

Dass Frauen auch blind werden, wenn sich nachts unkeusche Hände zu dem Körperteil verirren, der lange Zeit noch nicht einmal einen Namen hatte, ist übrigens nicht bekannt. Anständige Frauen tun so was nicht, war die allgemeine Denke, und die anderen kamen ohnehin in die Hölle. Nur junge Mädchen machten hin und wieder die Entdeckung, dass spielende Hände recht angenehme Gefühle auslösen konnten. Aber das wurde dann in aller Regel innerfamiliär gelöst. Sprich, wenn ein junges Ding bei solch verbotenem Tun erwischt wurde, holt man die Rute und brachte ihm nachdrücklich bei, so etwas Schändliches nie wieder zu tun. Das hat offenbar jahrhundertelang funktioniert, denn weibliche Masturbation ist eigentlich erst in neuerer Zeit in Mode gekommen. All die Jahrhunderte zuvor hatten es Millionen von Männern mit einer  Braut zu tun, die schön keusch und jungfräulich war und auch sonst keinen Durchblick hatte. 

Das könnte man ja nun als einen Teil der Vergangenheit abhaken, die längst erledigt ist und mit der modernen Frau von heute nichts mehr zu tun hat. Aber wer so denkt, hat die moderne Medienwelt vergessen. Vor allem in den sozialen Medien kann heute jeder irgendwelche Erkenntnisse verbreiten, ohne dass die Masse der Nutzer darüber nachdenkt, ob das nun plausibel ist oder nicht. Im Gegenteil, was man oft genug liest, muss einfach wahr sein und es gibt gute Gründe, daran zu glauben. 

Allerdings sind dieses Mal nicht die Jungs dran, sondern der menstruierende Teil der Bevölkerung. Denn während unsereins nach wie vor auf solide Handarbeit steht, geben sich Vagina-Besitzerinnen richtig modern und verwenden elektrisch betriebene Vibratoren mit mehreren Intensitätsstufen, um einen gerade nicht vorhandenen Penis zu ersetzen. 

Genau das sei aber ein riesiges Problem, so die neueste Erkenntnis. Denn wer allzu häufig den Vibrator ansetzt, soll im Laufe der Zeit jegliche Orgasmusfähigkeit einbüßen. Anders gesagt, wer sich einmal an die elektrische Intensivbehandlung des betreffenden Körperteils gewöhnt hat, stumpft im Laufe der Zeit ab, bis überhaupt kein Höhepunkt mehr zu erreichen ist. Und weil heute alles eine mediengerechte Bezeichnung braucht, um ernst genommen zu werden, hat sich der unbekannte Urheber des Gerüchts den Begriff Dead Vagina Syndrom ausgedacht. Die Rede ist also von der toten Vagina, die auf nichts mehr reagiert. 

Das klingt im ersten Moment plausibel, ist aber nichts als dummes Zeug. Wobei ich mich nicht wundern würde, wenn das Gerücht von irgendwelchen christlich-fundamentalistischen Kreisen in die Welt gestreut wurde, um die sündige Jugend von heute vor den Gefahren ihres Tuns zu warnen. 

Ein erstes Warnsignal, so heißt es, wäre ein gewisses Taubheitsgefühl, das nach einer mechanisch unterstützten Selbstbefriedigung zurückbleibt. das wäre nämlich die Folge davon, dass die Nerven überbeansprucht worden seien. Wiederholt sich das Spiel allzu oft, könne es sogar zu einer dauerhaften Nervenschädigung kommen, so die Erkenntnis. Und das würde schlicht und einfach bedeuten: Orgasmus ade.

Im Online-Magazin Noizz wurde sogar ein Arzt zitiert, der die ganze Sache zu bestätigen scheint: „Wenn Frauen öfter mit dem Vibrator masturbieren, dann kann es sein, dass sie nur noch Lust empfinden, wenn sie den Vibrator benutzen,“ erklärte ein gewisser Dr. Sievers. Er meinte aber auch, das läge nicht etwa in einer Überreizung der Nerven, sondern einfach daran, dass sie sich im Laufe der Zeit an diese Art der Stimulation gewöhnt haben. Er selbst habe übrigens noch keine Frau in seiner Praxis gehabt, die über das Dead Vagina Syndrom geklagt hätte. Er meinte sogar, dass Frauen, die nur selten die Chance auf einen richtigen Orgasmus im Zusammenspiel mit einem Mann haben, öfter mal masturbieren sollten, um nicht völlig die Lust zu verlieren.

Einer Frau fehlt also etwas, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit einen Penis zu spüren bekommt. Aber das ist ja bei den Männern nicht viel anders.