Home Office: Bürojobs ohne Büro
Corona hat Spuren hinterlassen. Die Lockdowns und andere fragwürdige Abwehrmaßnahmen gegen die Pandemie sind zwar weitgehend vorbei. Aber auf dem Arbeitsmarkt hat die damit eingeläutete Veränderung Spuren hinterlassen, die sich verfestigt haben. Ohne Home Office ist heute eigentlich kaum noch ein Job an den Mann oder die Frau zu bringen. Es herrscht eben Arbeitskräftemangel und die Arbeitnehmer haben ein wichtiges Wörtchen mitzureden.
Wer auf den einschlägigen Jobbörsen im Internet unterwegs ist, hat es längst gemerkt: Bei jedem Job, der sich irgendwie auch zu Hause erledigen lässt, wird mittlerweile damit geworben, dass man selbstverständlich nicht immer im Büro arbeiten muss. Immer mehr besonders jüngere Unternehmen stellen sogar heraus, dass es ihnen völlig egal ist, ob der Bewerber im selbstverständlich ganz tollen Büro unter noch tolleren Kollegen arbeiten will, oder lieber zu Hause bleibt und sich nur noch online in das Firmenportal einklinkt.
Denn, sind wir doch ehrlich: Die Arbeitsprozesse sind mittlerweile längst digitalisiert. Die meisten Jobs finden folglich heute fast ausschließlich am Computer statt. Und einem Computer ist es mittlerweile so ziemlich egal, wo er steht. Meist hängt er ohnehin am Ethernet und ist mit irgendeinem Server verbunden und nicht selten arbeitet der Akteur vor Ort lediglich an einer Web-Schnittstelle, sitzt also in Wirklichkeit vor dem Internet-Browser, um seine Daten einzugeben. Oftmals sitzt auch der Server nicht im eigenen Haus, sondern wird als Service von irgendeinem Dienstleister betrieben.
Die digitale Welt hat sich also weitgehend entmaterialisiert und die Schnittstelle zum Mitarbeiter ist nicht mehr von einem ganz bestimmten Schreibtisch im Büro abhängig. Es gibt Unternehmen, die kennen schon lange keine festen Schreibtische mehr. Da guckt der Mitarbeiter einfach, was gerade frei ist, schaltetet den Computer ein, der da steht, und loggt sich mit seinem Passwort ins System. Ob er das im Großraumbüro im ersten Stock macht, oder im Besprechungsraum im dritten Stock, ist dabei völlig unerheblich. Sobald er in seinem Profil angemeldet ist, findet er seine Arbeitsumgebung vor und kann wie gewohnt loslegen.
Wenn das überall im Bürogebäude geht, warum dann nicht auch zu Hause?
Corona hat den Beweis erbracht, dass die Effizienz der Arbeit nicht darunter leidet, wenn der Mitarbeiter nicht jederzeit greifbar ist. Ganz im Gegenteil, in vielen Berufen besteht der Arbeitsalltag zu einem erheblichen Teil aus Besprechungen. Und wenn man sich erst mal an den großen Tisch gesetzt und seine Kaffeetasse gefüllt hat, können die durchaus mal eine Stunde oder länger dauern. Besprechungen per Videokonferenz sind nicht ganz so gemütlich und fallen daher meist auch kürzer aus. Erheblich kürzer, wie man überall hört. Außerdem genügt dafür nicht einfach ein schneller Telefonrundruf, sondern die Sache muss richtig organisiert und terminiert werden.
Früher galt es ja eher als Makel, nicht im Büro zu arbeiten. Das war gewissermaßen wie Heimarbeit und der Betreffende gehörte irgendwie nicht wirklich dazu. Meist war er ganz schnell abgehängt vom aktuellen Geschehen und die wirklich interessanten Aufgaben bekam er ohnehin nicht. In Sachen Karriere sah es daher eher schlecht aus.
Doch Corona hat das Bewusstsein verändert. Jetzt haben Mitarbeiter aller Hierarchieebenen gemerkt, dass es durchaus ein Vorteil sein kann, nicht jederzeit erreichbar zu sein. Gibt es wirklich etwas zu tun, wozu man Konzentration und Ruhe braucht, dann läuft das zu Hause meist reibungsloser ab, als im Büro, wo jederzeit einer reinkommen kann, um den Gedankenfaden zu unterbrechen.
Routinearbeiter wiederum haben gemerkt, dass zu Hause vieles schneller von der Hand geht und man gut und gerne eine Stunde weniger arbeiten muss, um dasselbe Pensum zu schaffen. Das trifft natürlich nicht zu, wenn es im häuslichen Umfeld quäkende Kinder gibt, die eine Konzentration praktisch unmöglich machen.
Und dann ist da noch die Flexibilität. Im Home Office sieht niemand, ob der Platz vor dem Monitor besetzt ist, oder ob sich der Betreffende gerade für ein Mittagsschläfchen aufs Ohr gelegt hat. Solange die Arbeit erledigt wird, interessiert das auch niemand. Im Büro sieht das schon anders aus und der Peer Pressure ist erheblich höher. Außerdem merkt der Chef schnell, wenn man nicht ausgelastet ist und lässt sich sicher etwas dagegen einfallen.
So gesehen ist die Arbeit im Home Office ein Stück Freiheit, das viele Menschen mittlerweile eigentlich nicht mehr missen wollen. Deshalb tun sich Unternehmen auch schwer damit, ihre Mitarbeiter wieder zurück in die alte Arbeitsumgebung zu holen. Viele sehen das sogar als Kündigungsgrund und suchen sich einen Job, bei dem sich Work und Life besser in Einklang bringen lässt. Es ist eben mittlerweile ein Arbeitnehmermarkt und das merkt man auch in den Personalabteilungen.
Bei den Controllern hat sich hingegen etwas ganz anderes herumgesprochen: Wenn nur noch ein Teil der Mitarbeiter im Büro sind, braucht man eigentlich auch nicht mehr so viele Büros. Also kann man den teuren Raum untervermieten oder den bestehenden Mietvertrag entsprechend anpassen. Besonders größere unternehmen machen von dieser Möglichkeit Gebrauch und sparen damit nicht unerheblich Kosten.
Die Mitarbeiter von heute sind ohnehin deutlich anspruchsvoller geworden. Der Trend zum Home Office hat dieses Anspruchsdenken noch verstärkt. In immer mehr Stellenangeboten taucht daher mittlerweile der Begriff „remote“ auf und der Bewerber weiß, dass er es hier mit einem flexiblen Unternehmen zu tun hat, das ihm die Freiheiten einräumt, die er sich mittlerweile nehmen will.
Wobei das Ganze sogar unter dem Stichwort Nachhaltigkeit gesehen werden kann. Wer nicht jeden Morgen ins Büro und abends wieder zurückfährt, der verbraucht auch keine Energie für das eigene Auto oder treibt die Kapazität des ÖPNV nach oben. Er verbraucht auch im Büro wesentlich weniger Energie, denn seine Wohnung wird er ohnehin heizen und die Utility-Kosten für ein Bürohaus sind erheblich höher als die heimische Zweizimmerwohnung. Der Stau nimmt ab, die U-Bahn ist weniger voll und die Umweltbelastung sinkt.
Dazu kommt, dass der Zeitaufwand für den Arbeitsweg komplett wegfällt, was für so manchen Mitarbeiter schon allein fünf Stunden Zeit pro Woche ausmacht. Zeit, die er jetzt für sich hat, anstatt sie auf der Straße oder in der Bahn zu verbringen. Zeit, die mehr Lebensqualität und weniger Stress bedeuten. Eingesparte Zeit, die man einfach geschenkt bekommt – und die sich zusammen mit der effizienteren und Zeit sparenden Arbeitsweise gut und gerne noch verdoppeln lässt.