Wie das Land, so seine Autos

Ja, ich fahre gerne Auto. Ich glaube nicht, dass mit dem Auto die Welt untergeht und halte das eigene Auto noch immer für das mit Abstand vielseitigste, flexibelste und praktischste Transportmittel, das der Mensch je erfunden hat. Dabei zähle ich eher zu den Individualisten unter den Autofahrern. Prestige war für mich nie entscheidend. Markenbewusst bin ich eigentlich auch nicht. Und was unter der Haube abgeht, hat mich eigentlich nie wirklich interessiert. Wenn mich ein Auto begeistert hat, dann war es das, was die Designer "Form follows Function" nennen, also eine angenehme Ästhetik, die sich aus der Funktion ergibt.

Ich liebe vor allem die Franzosen. Aber ich habe auch interessante Japaner und Amerikaner gefahren. Nur deutsche Autos waren nie darunter, obwohl ich gut zehn Jahre für die hiesige Automotive-Industrie gearbeitet habe. Ich habe Montagewerke von Mercedes, Volkswagen, Seat und Audi von innen gesehen. Ich habe Crashtests erlebt und bin das allererste Auto mit Navi gefahren. Jahrelang hatte jeder Mercedes-Verkäufer eine ganze Reihe von Ordnern im Regal stehen, in denen alles über jedes Modell stand. Ein Großteil davon stammte aus meiner Feder.

Aber im Vergleich zu den Franzosen erschienen mir die deutschen Autos einfach zu protzig oder zu langweilig, auf jeden Fall aber viel zu teuer. Meist hatte ich schon beim Lesen der seitenlangen Preisliste das Gefühl, dass man mich ausnehmen will. Als der Mercedes ML auf den Markt kam, wäre ich allerdings fast zum Mercedes-Fahrer geworden. Ich hatte den Wagen sogar bestellt und war bereit, über ein Jahr darauf zu warten. Aber als sich dann endlich die Chance zu einer Probefahrt ergab, habe ich den Vertrag ganz schnell wieder annulliert. Noch nie war ich bereit, so viel Geld für ein Auto auszugeben und noch nie hatte ich eine so unbequeme und ständig klappernde Kiste in der Hand.

Mein allererstes Auto war eine Ente, die mich mit ganzen zwei Zylindern fortbewegte, die sagenhafte 28 PS entwickelten. Ich habe sie mir bereits gekauft, als ich noch gar keinen Führerschein hatte. Als es dann endlich soweit war, bin ich damit ganz frech zur Prüfung gefahren, was glücklicherweise niemand gemerkt hat. Die göttliche DS lag zwar eigentlich über meinen damaligen Verhältnissen. Aber sie war zwei eine herrliche Sänfte und so völlig anders als alles, was damals die Straßen bevölkerte. Ich bekomme heute noch feuchte Augen, wenn sie in einem französischen Film aus den 70ern auftaucht.

Die beiden Renault Espace mit Kunststoffkarosserie waren Innovation schlechthin und der Anfang einer völlig neuen Autogattung. Auf die Idee, einfach 5 Sitze in den Laderaum zu stellen, die man mit einem Handgriff ausbauen konnte, ist zuvor niemand gekommen. Einmal bin ich mit dem Espace durch eine Eisenbahn-Unterführung gefahren und hatte völlig vergessen, dass ich drei Fahrräder auf dem Dach hatte. Es hat einen Schlag gelassen, die Räder waren Schrott, aber das Glasfaser-Dach des Autos war völlig unverschont geblieben. Nach einem Ausflug in die japanische und amerikanische Autowelt hieß es für mich Anfang des Jahrtausends back to the roots und ich landete wieder bei Citroên. Der C5 war zwar nicht unbedingt der Hingucker, aber seine Hydropneumatik machte ihn zu genau der Sänfte, die mich an meinen alten DS erinnerte. Ich habe fünf Modelle davon gefahren, bis 2017 die Produktion eingestellt wurde und damit leider auch die sagenhafte Hydropneumatik, deren schwebendes Fahrgefühl mir immer fehlen wird.

Mein Neuer ist wieder ein Renault und trägt den Namen Talisman. Hierzulande kennt man ihn kaum und ich bezeichne ihn daher als Geheimtipp für alle, die sich einen klassischen Kombi in schicker Hülle wünschen. Eigentlich sollte es ja der Kadjar werden, denn ich bin ja mittlerweile nicht mehr der Jüngste und schätze den bequemen Einstieg, wie ihn nur ein SUV bietet. Außerdem ist es ein angenehmes Gefühl, etwas erhöht zu sitzen und den Verkehr besser im Auge zu haben. Und, liebe Klimaretter: Ein SUV ist nicht das, was ihr glaubt. Es ist nicht viel mehr als ein ganz normaler Kombi mit etwas mehr Bodenfreiheit und etwas mehr Innenraumhöhe. Wobei ich mich hier auf automobile Grundsatzfragen nicht einlassen will. Wer allen Ernstes glaubt, CO2 wäre der Klimakiller schlechthin, dem rate ich, etwas für seine Allgemeinbildung zu tun und mit einem echten Klimatologen zu sprechen, anstatt blind zu glauben, was ihm irgendwelche "Forscher" erzählen.

Was mir an den Citroêns immer gefiel, war der spürbare Hang zur Innovation. Der C4 kam bereits vor der Jahrtausendwende heraus und hatte schon damals eine vollständig digitale Instrumentierung. Damals bauten VW, BMW und Mercedes noch immer die uralten VDO-Tachos ein und in der Fachpresse las man von "gut ablesbaren" Rundinstrumenten. Auch beim letzten Modell des C5 bestand das Armaturenbrett nur noch aus einem Farbdisplay und der Fahrer konnte selbst bestimmen, was er dort sehen wollte. Beim Renault Talisman ist es nicht anders. Schließlich leben wir im Zeitalter der Digitalisierung und feinmechanische Instrumente sind eigentlich Schnee von gestern.

Der Talisman erfordert zwar eine gewisse Lernkurve, bis man weiß, wie alles funktioniert. Aber das riesige Touch-Display passt einfach in unsere Zeit. Das Navi zeigt eine riesige Landkarte, Musik kommt natürlich von der Speicherkarte und wenn man will, verwandelt sich das Display sogar in ein automobiles Privatkino. Ich habe Wochen gebraucht, bis ich dahinter gekommen bin, was man da alles einstellen kann.

Mit dem Talisman wollten die Franzosen wohl so richtig zeigen, was sie alles drauf haben. Das Auto erkennt, wenn sich ein anderes Fahrzeuge im toten Winkel befindet, und zeigt das im Rückspiegel an. Der Abstandswarner funktioniert nicht nur hinten und vorne, sondern auch an beiden Seiten. Aber der Clou ist, dass das Auto Verkehrsschilder lesen kann. Ja, richtig: lesen. Es erkennt jede Geschwindigkeitsbegrenzung am Straßenrand und zeigt das entsprechende Schild  unübersehbar im Headup-Display an. Fährt man zu schnell, verfärbt sich die Anzeige rot und das Auto fängt an zu piepsen. Letzteres habe ich allerdings recht schnell abgeschaltet.

Leider gibt es den Talisman nicht mehr mit Dieselmotor. Der ist zwar nach wie vor die wirtschaftlichste, sparsamste und mithin auch sauberste Antriebstechnik. Aber außer Ingenieuren, die sich damit auskennen, glaubt das offensichtlich keiner mehr. Dafür redet man von Fahrverboten und will die Menschen mit aller Gewalt zu E-Autos zwingen. Die will zwar kaum einer will, aber die Industrie muss sie widerwillig produzieren, weil sie ja angeblich klimaneutral sind. Allerdings ist den Käufern nicht entgangen, dass so ein Elektromobil einfach nicht weit genug fährt und ständig zu langen Ladepausen zwingt - also eigentlich nur Nachteile bringt.

Dabei haben sich die Entwickler besonders in den letzten Jahren mächtig ins Zeug gelegt und das Letzte aus dem guten alten Verbrenner herausgeholt. Selbst in der Mittelklasse werden heute kaum mehr als 6 Liter auf 100 km verbraucht. Stank früher die ganze Stadt nach Abgasen und man musste im Stau auf Innenluft umstellen, muss man heute mit hochsensibler Sensorik am Straßenrand schnüffeln, um überhaupt noch Emissionen zu erkennen. Ein starker Raucher läuft eher Gefahr, ein verkürztes Leben zu haben, als jemand, der in einem Zelt direkt neben einer belebten Straßenkreuzung wohnt. Auch in jedem Büroraum ist die Schadstoffbelastung höher als draußen auf der Straße.

Politiker tendieren jedoch nur selten dazu, sich von Fachleuten zu umgeben, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen. Besonders wenn grüne Ideologien im Spiel sind, entsteht daher immer wieder medienwirksamer Aktionismus, der viel Wirbel macht und wenig bewirkt. Da wird die Natur großflächig zu einem durchgängigen einigen Windpark verschandelt, auch wenn der nie die Stromqualität liefern kann, den Haushalte und Industrie benötigen. Da wird der radikale Umbau zur E-Mobilität forciert, obwohl niemand weiß, wie in Zukunft tagtäglich Millionen von Akkus geladen werden sollen. Und es werden Kraftwerke stillgelegt, obwohl schon die heutige Netzkapazität nicht ausreicht, um den geplanten Bedarf zu decken.

Ich sehe daher für lange Sicht keine Veranlassung, mir ein teures Batterieauto zu kaufen, das ich in meiner Tiefgarage nicht laden kann und mit dem jede Reise doppelt so lange dauert, weil ich ständig an einer Ladesäule anstehen muss.