Spanking-Szene: Wie die Erziehung zum Fetisch wurde

Sie treffen sich in verschwiegenen Privatclubs und was sie dort tun, wirkt auf Außenstehende eher befremdlich. Die Herren erscheinen in formeller Abendgarderobe. Die Damen geben sich als Schulmädchen in Uniform oder mimen das Dienstmädchen mit schwarzem Dress und weißer Schürze. Einige tragen auch Dessous, die an eine ferne Epoche erinnern. Oder sie sind völlig nackt und richten den Blick devot nach unten. Hier werden Phantasien ausgelebt. Sexuelle Phantasien, die seit Shades of Grey auch den Mainstream erreicht haben. Und die noch vor zwei Generationen ganz einfach zum Alltag gehörten.

Sexualität hatte schon immer sowohl eine zärtliche als auch eine aggressive Seite. Und sie hat seit jeher auch mit Dominanz und Unterwerfung zu tun. Emanzipation ist letztendlich ein Produkt der westlichen Überflussgesellschaft, die den Frauen mehr Freiheiten verschafft hat, als sie je hatten. Sie haben heute selbst einen Beruf und heiraten nicht mehr, um versorgt zu sein. Und wenn alles schief gegangen ist, fallen sie ein ein soziales Netz, das ihnen zumindest das Überleben sichert.

Doch das ist bestenfalls seit zwei Generationen so. Und es trifft auch nur auf einen relativ kleinen Teil dieser Welt zu.

Aber auch in der westlichen Welt sehen es bei weitem nicht alle Frauen als Ideal an, von einem Mann unabhängig zu sein und für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Nach wie vor schwebt nämlich den meisten Frauen dasselbe Leben vor, das Frauen schon seit Jahrtausenden geführt haben. Sie suchen den „richtigen“ Mann. Einen, der sie heiratet und genügend verdient, um sie von allen Sorgen des Lebens zu befreien. Dem ordnen sie sich dann unter. Sie spielen die „Frau an seiner Seite“. Sie sind Hausfrau, Mutter und Geliebte.

Auch am oberen Ende der sozialen Skala will Frau nicht wirklich tagtäglich ins Büro gehen, um selbstständig zu sein. Lieber mimt sie das des Luxusweibchen, kümmert sich um ihr Aussehen, trifft sich mit gleichgesinnten Freundinnen und geht mit seiner Kreditkarte auf Shopping-Tour. Emanzipiert sehen sie ganz bestimmt nicht aus, die nach Parfum duftenden Frauen, die nachmittags die Boutiquen der Innenstädte bevölkern.

Und wenn man vom Wohlwollen eines Mannes abhängig ist, hat das natürlich Konsequenzen und die haben viel mit Dominanz und Unterwerfung zu tun. Das weiß die moderne Frau von heute. Das weiß ihre Mutter und das gehörte schon für Oma und Uroma zur allgemeinen Lebenserfahrung.

Wobei Oma schon von Klein auf klar gemacht wurde, was man von einem Mädchen erwartet. Es hatte vor allem zu gehorchen und hübsch auszusehen. War es schön brav, strich Vater ihr liebevoll übes Haar. Zeigte es sich widerspenstig, legte er es übers Knie und versohlte ihr den Hintern. Mutter sah das egenauso und der Kochlöffel war schneller zur Hand es es der Kleinen lieb sein konnte. Ihre Brüder hatten es da weitaus leichter. Ein richtiger Junge durfte durchaus ein Raufbold sein. War er wild und draufgängerisch, galt das nicht als Makel, sondern als Zeichen von Männlichkeit. Ansonsten musste er schon etwas richtig Schlimmes angestellt haben, um bestraft zu werden.

Die Prügelstrafe wurde in Deutschland erst in den 60er Jahren abgeschafft. Zuerst an den Schulen und in der Lehre. Später auch zu Hause. Doch nur Wenige wissen, dass nach dem Preußischen Landrecht von 1758 noch in den 20er Jahren jeder Ehemann das „Recht der mäßigen Züchtigung“ seiner Ehefrau hatte. Auch nach dem bayerischen Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1758 bestand ein Züchtigungsrecht des Ehemanns. Danach hatte der Mann in der Ehe das Recht, seine Ehefrau „nötigenfalls mit Mäßigkeit“ zu züchtigen, um seine Stellung und seine Rechte durchzusetzen. Aufgehoben wurde dierses Gesetz erst 1928.
Dabei gab es in jeder Region und auch in jedem Haus andere Traditionen. Oft hing Vaters Lederriemen gut sichtbar in der Küche, oder es wurde die gefürchtete Weidenrute zur Hand genommen, die in einer extra dafür bestimmten Vase schon feucht und geschmeidig gehalten wurde. In der Schule hingegen regierte über viele Generationen hinweg der Rohrstock und es gab wohl keinen Schüler, der seine Wirkung nicht kannte (wobei Schülerinnen durchaus nicht ausgenommen waren).

Wer seinerzeit ein Mann war und eine eher dominante Persönlichkeit hatte, konnte diese also problemlos zur Geltung bringen. Er brauchte nur zu heiraten und konnte seine Neigungen voll ausleben. An der eigenen Ehefrau und natürlich auch an den zahlreichen Kindern, die sie ihm im Laufe der Zeit schenkte. Es ist daher kein Zufall, dass in Familiengeschichten aus jener Zeit der Vater stets als Respektsperson beschrieben wird, vor der jeder in der Familie Respekt, ja sogar Angst hatte. Verständlich, denn ein guter Vater war ein strenger Vater und wer nicht parierte, bezog Prügel und das nicht zu knapp.

Eine gefügige Ehefrau zu finden, stellte dabei offensichtlich das geringste Problem dar. Schließlich gab es kein junges Mädchen, das nicht unter strenger Zucht aufgewachsen war und genau wusste, was ihm blühte, wenn es sich seinen Eltern widersetzte. Oder eben seinem Ehemann. Wobei man davon ausgehen kann, dass eine Züchtigung durchaus auch eine sexuelle Komponente hatte. Gezüchtigt wurde schließlich in früheren Generationen vor allem auf das Gesäß, das um der besseren Wirkung willen natürlich zuvor entblößt wurde. Die Bestrafung seiner Ehefrau bot daher einem strengen Hausherrn durchaus reizvolle Einblicke, die seine Libido anregten. Was bei einer heranwachsenden Tochter sicher nicht viel anders war.

Es überrascht daher nicht, dass auch in Zeichnungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert immer wieder Szenen auftauchen, die die Bestrafung der Frau thematisieren. Da hält der Hausherr seine Töchter in Zucht, der zahlende Herr im Bordell schwingt eine Gerte, um die junge Hure zurechtzuweisen, der Lehrer bestraft eine Schülerin mit dem obligatorischen Rohrstock oder der erzürnte Ehemann weist seine Ehefrau mit seinem Hosengürtel in ihre Schranken.

Genau diese Situationen sind auch Gegenstand der erotischen Erziehungsspiele, zu denen einschlägige Etablissements immer wieder einladen. Und sie sind Gegenstand zahlreicher Bücher, die man zum Beispiel im Amazon Kindle-Shop unter dem Stichwort „Spanking“ finden kann. Ein gutes Dutzend davon stammt aus dem Verlag Widerwort. Sie stammen von Wolfram Steffen, der zu den anspruchsvollsten Autoren in diesem Genre zählt und seit Jahren eine treue Leserschaft anzieht.

Steffens Schlüsselerlebnis war die Bestrafung eines jungen Mädchens, die er als Teenager beobachten konnte und die offensichtlich seine sexuelle Orientierung nachhaltig geprägt hat. Nach seiner Biografie war er viele Jahre verheiratet und gibt an, weder Frau noch Kinder jemals geschlagen zu haben. Doch seine sexuelle Phantasiewelt dreht sich allein um Dominanz und Unterwerfung, wie Buchtitel wie „Mach sie nackt und zähme sie“, „Dir gehört der Arsch versohlt“, „Des Paters harte Hand“ und „Straffe Zügel“ eindeutig zum Ausdruck bringen.

„Gut drei Viertel meiner Leser sind Leserinnen,“ äußerte Steffen in einem Interview und widerlegt damit die Vermutung, dass es vor allem machtbesessene Männer sind, die es sexuell erregt, wenn eine Frau geschlagen wird. Aber er macht dabei einen klaren Unterschied: „Männer, die Frauen mit Fäusten traktieren und krankenhausreif schlagen, verachte ich zutiefst. In meinen Büchern geht es um das Machtgefüge zwischen den Geschlechtern und das hat sich über Jahrtausende hinweg nicht wirklich verändert. Frauen suchen noch immer den starken Mann, der ihnen Sicherheit bietet, und Männer wollen eine Frau, die zu ihnen aufblickt und sich führen lässt. Das gibt zwar im Zeitalter der Emanzipation keine mehr zu, aber wer sich schon mal in den einschlägigen Dating-Portalen getummelt hat, merkt schnell, dass genau das der Fall ist.“

Mit einigen seiner Leserinnen steht Steffen im engen Mailkontakt. „Es hat mich überrascht, dass so viele Frauen meine Romane lesen. Eigentlich befinden sie sich doch am empfangenden Ende des Stocks, der Rute oder des Ledergürtels und sollten dabei keine Lust empfinden. Doch wie es scheint, sieht die Realität völlig anders aus.“ Was ja schon daran zu erkennen ist, dass es in der SM-, BDSM- und Spanking-Szene nie an Frauen gemangelt hat, die bereit sind, sich auf das Spiel von Macht und Unterwerfung zu ihren Ungunsten einzulassen.

Eine von ihnen ist Rebekka (die natürlich in Wirklichkeit anders heißt). Als sie noch ein junges Mädchen war, folgte ihre Mutter der großen Liebe und zog von Berlin an die Nordsee. Dort wuchs Rebekka unter den Fittichen der Mutter ihres Stiefvaters auf, die offensichtlich weder von ihrer Mutter noch von ihr eine allzu gute Meinung hatte. Es war wohl das übliche „mein Sohn hat etwas Besseres verdient als eine Frau mit einem unehelichen Balg“.

Für Rebekka war wohl die Situation ziemlich belastend und das Mädchen entwickelte sich zur Bettnässerin. Eine "Unart", die ihr die erboste Oma mit allen Mitteln „austreiben“ wollte. Sie zerrte also die Unglückliche ins Badezimmer, zog sie aus und stellte sich daneben, während sich das Mädchen von oben bis unten sorgfältig wusch. „Dabei lag der Lederriemen stets griffbereit und bevor ich mich abtrocknen durfte bezog ich erst einmal eine ordentliche Tracht Prügel. Ich bin fast keinen Tag ohne Striemen am Körper in die Schule gegangen.“

Als aus dem Mädchen allmählich eine Frau wurde, passierte es dann. Rebekka verspürte beim Klatschen des Lederriemens nicht nur Schmerzen, sondern empfand immer häufiger auch ein wohlig kribbelndes Lustgefühl. Einen angenehmen Schauer, der durch ihren Körper lief. Ein Erlebnis, das sie bei allen Schmerzen durchaus genoss. Und das ihr gesamtes zukünftiges Sexualleben prägen sollte. „Heute kann sich ein Mann noch so sehr Mühe geben, einen Orgasmus werde ich erst bekommen, wenn er seinen Gürtel aus der Hose zieht, und damit meinen Hintern zum Glühen bringt.“

Lust und Schmerz können also durchaus zwei Verwandte sein, die in enger Beziehung zueinander stehen. Es gibt sogar Regionen, in denen Frauen geradezu erwarten, von ihrem Mann gezüchtigt zu werden, wenn sie seinen Unmut erregt haben. Sie werten es als Zeichen seiner Liebe und Fürsorge. Die Frau ist eben um des Mannes Willen da, wie es schon in der Bibel heißt, und wer ungehorsam war, der muss eben bestraft werden. Eine Denkweise, die man auch nahezu im gesamten asiatischen Raum vorfindet, wo es noch heute das Ziel der Eltern ist, einem Sohn weitgehend freie Hand zu lassen und ein Mädchen zu Demut und Gehorsam zu erziehen. Schließlich soll daraus eine Ehefrau werden, wie sie sich jeder Mann wünscht.

Das passt zur Erfahrung einer jungen Deutschen, die mit ihren Eltern nach Japan umzog. Ihr Vater von seiner Firma nach Japan entsandt worden, um dort eine Führungsposition zu übernehmen. Der Teenager wurde in einer Privatschule unterrichtet, die von japanischen Lehrern nach japanischem Vorbild geführt wurde. „Lehrer werden dort als Meister verehrt. Sie haben viele Rechte und benutzen gerne ein hölzernes Paddel, um sich Respekt zu verschaffen. Die Jungs beugen sich dafür einfach über einen Tisch in der ersten Reihe. Sie beziehen ihre ein halbes Dutzend Schläge, verbeugen sich danach respektvoll vor ihrem Lehrer und die Sache ist erledigt. Einem Mädchen wird dabei nicht nur der Rock hochgeschlagen, sodass das Paddel eine wesentlich heftigere Wirkung erzeugt. Es muss danach auch vor dem Lehrer auf die Knie gehen, um ihm demütig die Hand zu küssen, von der es zurechtgewiesen wurde.“

Als vor Jahren die Meldung durch die westliche Presse ging, dass es ein japanischer Minister für ganz selbstverständlich ansah, seine Frau bei Widerspenstigkeit mit dem Bambusstock zu schlagen, konnte man in den japanischen Medien kein Wort darüber lesen. Weshalb auch? In Europa träumt davon vielleicht so mancher Mann oder lebt seine Phantsien in einem einschlägigen Club aus. In Asien ist das auch heute noch die traditionelle Vorgehensweise.