Alles hat seinen Ursprung

Sexualität ist mehr als streicheln, küssen, rein und raus. Die menschliche Sexualität kennt unzählige Spielarten, die weit über das hinaus gehen, was in jedem Pornofilm in Nahaufnahme zu sehen ist. Da gibt es zum Beispiel Menschen, die sexuelle Höhepunkte erleben, wenn sie andere erniedrigen und schlagen oder selbst erniedrigt und geschlagen werden. Man trifft sie in Clubs, auf Parties, bei Szene-Veranstaltungen.

Dort treten Männer als Herren auf, während die Frauen die Zofen, Dienerinnen, Sklavinnen spielen und sich am Halsband herumführen lassen. Oder auch umgekehrt. Das Netz ist voll von Szenen, in denen Schuldmädchen gezüchtigt, Ehefrauen bestraft und Sekretärinnen über den Tisch gelegt werden. Und wenn es in der Porno-Szene einen Bereich gibt, der so richtig floriert, dann sind es Filme mit einer guten Portion an Aggressivität.

Doch wo waren eigentlich diese Menschen früher? Wo waren sie im 19. Jahrhundert als es noch keine Fetischclubs gab? Wie lebten sie ihre Neigung im 20. Jahrhundert aus, als Pornografie noch strikt verboten war und bestenfalls unter dem Ladentisch gehandelt wurde? Was hat sich hier verändert und vor allem warum ist das so?

Ich habe da meine ganz persönliche Meinung und eine Erklärung, die mir plausibel erscheint.

Sexualität ist nicht nur das, was jeder kennt. Sie ist nicht nur ein Trieb, der dafür da ist, dass die Natur ihren Lauf nehmen kann und immer genügend Nachwuchs den Fortbestand der menschlichen Rasse gewährleistet. Sexualität ist auch die Lust zu beherrschen, die Lust zu unterwerfen und die Lust Macht auszuüben. Sexualität ist nicht nur Zärtlichkeit und Begierde, sondern auch Aggressivität bis hin zur offenen Gewalt. Das zeigt sich unter anderem darin, dass selbst unter den ältesten pornografischen Darstellungen, die uns überliefert sind, auch immer wieder Szenen auftauchen, in denen Stöcke, Ruten und Peitschen auf entblößte weibliche Hintern treffen.

Im Mittelalter brauchte es keine SM-Parties, um derartige Triebe auszuleben. Damals herrschte eine gewalttätige Gesellschaft, die von der herrschenden Klasse bis hinunter zur Familie reichte. Wer heute Spaß daran hat. Frauen in Ketten zu legen, um sie zu peitschen und ihnen Metallklemmen an den Brustwarzen zu befestigen, der ließ sich damals als Kerkermeister anstellen und hat Geständnisse erpresst. Wem es Lust bereitete, den Stock oder die Rute zu schwingen, um seine Machtfantasien auszuleben, der konnte dies in früheren Zeiten nach Belieben ganz einfach als Ehemann oder Lehrmeister tun.

Irgendwann bestimmten zwar die Ideale von Liberté, Egalité und Fraternité Europa. Doch eine Magd war weiterhin eine Magd und der Bauer war der absolute Herrscher auf seinem Hof. Eine Ehefrau war ihrem Mann eheliche Pflichten schuldig, während er das Recht hatte, ihr Regeln aufzuerlegen und sie bei jedem Zuwiderhandeln zu bestrafen. Genauso, wie die Kinder in Unterwürfigkeit gehalten wurden und genau wussten, was ihnen blüht, wenn der Herr des Hauses erzürnt ist.

Mit anderen Worten, Männer mit flagellantischen Neigungen hatten über Jahrtausende hinweg ein breites Betätigungsfeld, um diese auszuleben.

Die Industrialisierung brachte neue Herren hervor. Und eine neue Art von Knechten, die sich jetzt Arbeiter nannten und ihr ganze Arbeitskraft für einen Verdienst einsetzten, von dem sie gerade mal leben konnten. Die Autoritätskette nach unten blieb jedoch erhalten. Denn ein Arbeiter stand zwar ganz unten auf der sozialen Leiter. Doch innerhalb seiner Familie konnte selbst er den Herrn spielen. Frau und Kinder standen nämlich immer noch eine Stufe tiefer. Was ihm die Möglichkeit gab, seinen Frust als entrechteter Arbeitnehmer direkt an sie weiterzugeben.

Heute nennt man es Prügelstrafe verurteilen und Körperverletzung. Damals hieß es Zucht ud Ordnung. Heute lebt es in Form von Rollenspielen auf Szenepartys fort. Damals war es die gesellschaftlich akzeptierte Autorität des kleinen Mannes. Wobei dem Bedürfnis nach Macht auf der einen Seite offensichtlich ein genauso starkes Bedürfnis nach Unterwerfung auf der anderen Seite gegenüber steht. Heute wie im Mittelalter.