Lingerie: Sexy bis zur Lächerlichkeit

Kurz vor Weihnachten tauchten sie wieder auf, die Geschenkvorschläge aus den unterschiedlichsten Quellen. Und da ich ein Mann bin, zeigt man mir dabei auch gerne mal weibliche Unterwäsche. Nicht für mich natürlich, sondern als Geschenkvorschlag für meine Liebste. Und da wir in Deutschland leben, wird dafür natürlich der französische Begriff „Lingerie“ verwendet. „Reizwäsche“ wäre ja auch zu direkt und „Unterwäsche“ klingt doch irgendwie nach weißen Baumwollhöschen.

Laut Wikipedia handelt es sich hier übrigens um „Kleidung aus dem Bereich der Unterwäsche, die häufig speziell aus Materialien hergestellt wird, die als erotisierend empfunden werden … wie beispielsweise Samt, Spitze, Lykra oder Satin.“

Anders gesagt, ich soll ihr verspieltes und mehr oder weniger transparentes Spitzenzeugs kaufen, damit sie mich damit erotisieren kann.

Nun bin ich durchaus ein Genießer und weiß ästhetische Dinge sehr zu schätzen. Ich finde es auch schön, wenn ein Geschenk fantasievoll verpackt ist und beim Auspacken von Sekunde zu Sekunde die Vorfreude wächst. Meine Freundin ist außergewöhnlich ästhetisch, zumindest empfinde ich das so und ich empfinde es auch nach Jahren der Zweisamkeit noch immer als äußerst reizvoll, sie ganz langsam von allen Hüllen zu befreien, bevor … na ja, Sie wissen schon.

Doch das, was mir normalerweise als Reizwäsche angedient wird, löst bei mir meist nur amüsierte Reaktionen aus. Ich meine, ein Höschen, dass im Schritt offen ist, was soll das? Das kratzt doch nur an der Nase und schürft die Zunge auf, anstatt die Lust zu steigern. Ein BH mit Loch, der den Brustwarzen Gelegenheit gibt, ins Freie zu sehen, ist das als humoristische Einlage gedacht? Also mir ist das vertraute Gefühl echter, weicher, warmer Haut lieber als so ein auf Sexy getrimmtes Stoffteil. Also wandert meine Hand ganz schnell unter die Hülle, bis das ganze Gedöns nur noch lästig ist.

Zum „Aufreizen“ brauche ich nämlich keine raffiniert geschnittenen Negligees, keine offenen Höschen und erst recht keinen BH mit Löchern. Da reicht ganz einfach das Original und es braucht meist nicht lange, bis sich die erwartete Vorfreude einstellt.

Wobei ich nichts gegen Frauen haben, die sich schön, elelegant und ja, durchaus auch sexy zu kleiden wissen. Drunter und drüber. Aber natürliche Schönheit kommt genauso gut auch in ein paar ganz gewöhnlichen Jeans zur Geltung. Oder in einem schlichten Kleid, das einfach nur dezent betonend umhüllt, was die Natur ohnehin geschaffen hat.

Ich bin sicher, dass es den meisten Männern nicht viel anders geht.

Nein, ich meine hier nicht die stumpfen Rein-Raus-Typen, die es nur möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Ich meine auch nicht die standhaften Leistungserbringer, die Sex als sportliche Disziplin verstehen. Ich meine eher die Genießer, die das Leben, das Essen, die Frauen mit allen Sinnen  wahrnehmen und erst dann von einer tollen Nacht reden, wenn es auch für sie ein Stück unvergessliche Erinnerung war.

Deshalb glaube ich, dass all die ausgefallenen Dessous eigentlich nur eine Aufgabe haben: Sie sollen täuschen, blenden, ablenken. Das heißt, sie dienen dazu, den Blick auf das zu lenken, was reizvoll ist, ansonsten aber alles unter halbtransparenten Stoffen zu verschleiern, was dem männlichen Auge besser verborgen bleibt. Bei einfachen Gemütern, die ohnehin nur den schnellen Reiz und die passende Körperöffnung suchen, mag das vielleicht funktionieren. Aber irgendwie ist es wie bei einem teuren Menü im falschen Lokal. Es mag zwar effektvoll dekoriert daherkommen. Aber letztendlich ist es nur ein leeres Versprechen für die Augen, das der Zunge wenig zu bieten hat.

So etwas führt am Ende zwar zu einer saftigen Rechnung, aber selten zu dem Gefühl, etwas wirklich Einmaliges erlebt zu haben.