Polygamie: Fremdgehen auf die legale Art

Polygamie ist etwas ganz Schlimmes. Davon ist man zumindest im christlich geprägten Teil der Welt überzeugt. Und natürlich unter Emanzen. Polygamie ist schließlich die übelste Art von Patriarchat und sollte genauso vehement bekämpft werden, wie Prostitution und Kinderehen. So mancher Mann hingegen stellt sich ein Leben mit zwei, drei oder noch mehr Frauen als Paradies vor und beneidet insgeheim die Moslems, für die das völlig normal ist. Aus der Nähe betrachtet sieht die Sache allerdings völlig anders aus.
Für die wirklich Gläubigen unter den Christen steht die Idealform menschlichen Zusammenlebens ganz klar in der Bibel. Nur eine einzige Frau darf der Mann haben und zwar „bis der Tod euch scheidet“. Eine Scheidung aus eigenem Antrieb ist in diesem Konzept eigentlich nicht vorgesehen und Ehebruch gilt als eine der schwersten Sünden überhaupt. Dafür ist er immerhin das Oberhaupt der Familie und seiner Frau wird geraten, sich seinem Willen unterzuordnen.

Dass die Wirklichkeit oft völlig anders aussieht, muss man nicht erst erwähnen. Zwar treten heiratswillige Paare noch immer gerne vor den Traualtar und besonders Frauen lieben die feierliche Zeremonie, die sich seit Jahrtausenden nicht wesentlich verändert hat. Doch für die meisten ist es heute der einzige Besuch in einer Kirche, denn so richtig gläubig sind nur noch wenige. Und die Haltbarkeit einer durchschnittlichen Ehe ist auch schon lange nicht mehr das, was sie vielleicht früher einmal war.

Die Lebensrealität der meisten Menschen in der westlichen Welt ist heute etwas, was man als serielle Monogamie bezeichnen könnte. Man geht hoffnungsfroh eine Beziehung ein, trennt sich nach ein paar Jahren wieder desillusioniert, um dasselbe Spiel mit einem anderen Partner aufs Neue zu starten. Das Ergebnis sind dann unterschiedlich strukturierte Patchwork-Familien, die sich immer wieder neu formieren und beherzt versuchen, das komplizierte Gefüge irgendwie am Laufen zu halten.

 Eine andere Realität ist die Ehe als Fassade. Sie wird vor allem in konservativen Kreisen gepflegt, wo man großen Wert auf den äußerlichen Eindruck legt und sich nicht selten gewaltig verbiegt, um das Bild einer heilen Welt aufrecht zu erhalten. Gebräuchlich sind sie auch in wohlhabenden Kreisen, wo die Ehe ohnehin nur als Zweckgemeinschaft gegründet wurde und aufrechterhalten wird, weil alles andere an zu großer finanzieller Verlust wäre.

Da gibt es Beziehungen, die schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gelebt wurden. Es gibt Paare, die nebeneinander her leben und sich eigentlich nur zu Weihnachten oder zum Geburtstag der Kinder am gemeinsamen Tisch einfinden, um die Tradition zu pflegen und die erwartete Rolle zu spielen. Ein gemeinsames Bett gibt es da schon lange nicht mehr, denn jeder hat seine eigenen Interessen und geht seinen eigenen Weg.

Doch der Frust hält sich meist in Grenzen, denn hinter der monogamen Fassade steckt nicht selten eine polyamore Realität. Kann es sich der Mann leisten, hält er sich eine Geliebte, die er für ihre Dienstleistungen mit teuren Geschenken belohnt und deren vorteilhaft anonyme Citywohnung natürlich steuermindernd auf die eigene Rechnung ging. Alle anderen flüchten in mehr oder weniger dauerhafte Affären – mit der Kollegin, der Bekanntschaft vom Fitness-Club oder der Frau des besten Freundes, der davon natürlich genauso wenig weiß, wie die Dame, die als offizielle Ehefrau geführt wird.

Das alles ist recht kompliziert. Es erfordert einen ganz erheblichen logistischen Aufwand. Es ist mit ständigem Lügen und Täuschen verbunden. Es kann richtig anstrengend sein und ist irgendwie auch ziemlich entwürdigend. Von den recht üppigen Kosten ganz zu schweigen, denn eine Geliebte will nicht nur ausgeführt werden. Man muss sie auch mit einer gelegentlichen Urlaubsreise bei Laune halten und man muss ihr immer wieder klarmachen, dass man sie eigentlich am liebsten heiraten würden, die gegebenen Umstände dies jedoch nicht zulassen. In der Summe nagt die heimliche Zweitfrau an der Substanz und saugt geistige und emotionale Ressourcen ab, die an anderer Stelle fehlen.

Denn genau darum handelt es sich: um eine Zweitfrau. Sie hat zwar nicht ganz dieselben Rechte wie die offiziell Angetraute. Aber auch sie verlangt nach Aufmerksamkeit und will zumindest den Eindruck haben, geliebt, begehrt, geschätzt zu werden. Ein Eindruck, der vom beteiligten Mann nicht selten erhebliches schauspielerisches Talent verlangt.

Nüchterne Denker fragen sich, worin eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einer christlichen Konkubine und einer muslimischen Zweitfrau liegt. Und je mehr sie darüber nachdenken, desto verlockender erscheint ihnen die Vorstellung ganz legal zwei Frauen auf dem Konto zu haben, die voneinander wissen und damit leben können.

In seinem Buch „Unterwerfung“ hat Michel Huellebecq genau das illustriert. Es beschreibt die Situation in einem fiktiven Frankreich, das vom Islam übernommen wird und sich dabei langsam und unaufhaltsam verändert. Zum Islam überzutreten ist ganz einfach, wird der in der Ich-Form schreibende Autor von einem Kollegen aufgeklärt, der davon berichtet, dass er demnächst seine zweite Frau heiraten wird. Der fiktive Direktor der ehrwürdigen Sorbonne hat diesen Schritt bereits hinter sich. Seine langjährige Ehefrau ist eine begnadete Köchin, auf deren Genüsse er als Franzose keinesfalls verzichten will. Seine Zweitfrau ist gerade mal fünfzehn und trägt vermutlich dazu bei, dass er einen zweiten Frühling erlebt, wie er nur wenigen Menschen vergönnt ist. So mancher Leser wird dabei den Gedanken gehegt haben, dass auch der Islam durchaus etwas für sich hat.

Wobei der Roman auch darüber aufklärt, wie es Moslems eigentlich anstellen, eine Frau zu finden, die ihren Vorstellungen entspricht, wo sie doch Frauen stets nur als verhüllten Wesen begegnen, von denen kaum sexuelle Reize ausgehen dürften.
Der Autor antwortet die Frage mit einem Ausflug in die Philosophie. Die Liebe zu einer Frau ist doch eigentlich nicht viel mehr als die Dankbarkeit für erhaltene Freuden, so seine Erkenntnis. Was Männer lieben ist nicht die Frau als intellektuelles Wesen, sondern als lebendige Sinnesfreude. Sie schätzen sie vielleicht als Mittel gegen Einsamkeit, als Gefährtin im Alltag und Begleiterin beim abendlichen Dinner. Doch was sie eigentlich fesselt, sind ihre körperlichen Reize und die Art, wie sie diese einzusetzen versteht. Denn wenn die nicht mehr da sind, bleibt vielleicht noch eine gewisse vertraute Nähe zurück und Mann sitzt ihr aus reiner Gewohnheit weiterhin im Restaurant gegenüber. Die Augen sind jedoch dabei ständig auf Wanderschaft. Sie sind auf der Suche nach neuen Reizen, die dem Körper neuen Auftrieb geben. Das geschieht unbewusst, instinktiv und völlig automatisch.

So wird auch verständlich, wie ein Moslem das Thema Frau angeht. Er muss sie gar nicht erst umständlich kennenlernen, um sich dem Objekt seiner Begierde zu nähern. Er muss auch nicht Zeit raubend um ihre Gunst werben, während er sie in Gedanken bereits auszieht. Es genügt ihm, wenn sie ihm am Tag der Hochzeit vorgestellt wird. Denn sie wird ihm entweder über die Familie vermittelt – dann ist es so etwas wie die westliche Zweckehe. Oder er nimmt die Dienste einer Vermittlerin in Anspruch. Die darf nämlich die Frau durchaus nackt sehen und sie tut es auch. Und sie wird ihm ein Exemplar vermitteln, das haargenau zu seinen Vorlieben passt. Mit genau den Attributen, auf die sein Körper reagiert und der Optik, die seine Sinne anspricht.

So ein Wesen wird dann nicht einfach zur Frau an seiner Seite. Sie wird mit Haut und Haaren zu seinem Eigentum. Als solches wird sie konsequent vor fremdem Zugriff geschützt und ist einzig und allein zu seinem privaten Vergnügen da. Und wenn dieses Vergnügen irgendwann nachlässt, ist es eben Zeit für die zweite Frau, oder die dritte oder eine weitere. Das ist dann nur noch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Darin unterscheidet sich nämlich die Polygamie nur unwesentlich von der westlichen Kombination aus offizieller Ehefrau und heimlicher Geliebten. Wobei die islamische Variante deutlich einfacher zu handhaben ist, während das westliche Modell doch ziemlich stressig sein kann.

Dabei sind die Frauen im Islam nicht zwangsläufig unglücklich. Wenn man sie lässt, sind sie auch nicht weniger sinnlich und begehrenswert als westliche Frauen. Nur spielt sich diese Ebene im rein privaten Bereich ab. Denn zu Hause muss sich keine Muslima verschleiern. Ganz im Gegenteil, sie soll das Herz ihres Mannes erfreuen. Und dass sie das mit besonderem Eifer tun, verrät ein Blick in jedes Shopping Center in Dubai oder Saudiarabien. Mehr Dessous als in diesen Konsumtempeln in der Wüste kann man nämlich nirgendwo auf der Welt sehen.

Denn die westliche Frau hat zwar eine bessere Ausbildung. Sie verdient auch ihr eigenes Geld und hat damit ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Doch wenn der Mann ihr abends begegnet, ist sie erschöpft. Ihre sexy Kleider trägt sie im Büro. Zu Hause präsentiert sie sich in bequemen, aber eher unweiblichen Klamotten, während ihr Mann noch den Anblick seiner Kolleginnen mit körpernah geschnittenen Röcken und dezent geöffneten Blusen im Kopf hat. Die muslimische Frau hingegen will ihrem Mann gefallen. Sie will ihn verführen. Sie will seine Sinne wecken. Sie ist zwar tagsüber sorgsam verhüllt. Doch nachts zeigt sie sich von ihrer begehrlichen Seite. Denn dem Mann zu dienen ist ihre Bestimmung, das hat sie schon als kleines Mädchen gelernt.

Muslimas haben auch als junge Frauen etwas naiv kindliches an sich, lässt Huellebecq seine Leser wissen, während er die verschleierten Studentinnen beschreibt, mit denen er es in der Islamischen Universität Sorbonne zu tun hat. Nur wenigen ist es vergönnt, ihre geistigen Fähigkeiten zu entwickeln. Vor allem in den Stammländern des Islam besteht der Schwerpunkt ihrer Erziehung nicht in Bildung, sondern in der Vermittlung praktischer Fähigkeiten. Sie sollen schließlich nicht in die Welt gehen und sich verwirklichen. Sie sollen zu Hause bleiben und ihrem Herrn dienen. Und der weiß genau, wie man mit kindlichen Wesen umgeht. Brave Mädchen werden gelobt und gestreichelt. Ungehorsame Mädchen werden weggesperrt und bekommen die Peitsche zu spüren. Vor zwei Generation war das auch in Europa nicht viel anders und in der islamischen Welt ist es nie anders gewesen.

Nur eine Minderheit der Moslems pflegt einen Gedankenaustausch mit der Frau oder den Frauen in ihrem Leben. Die meisten trennen fein säuberlich zwischen bedeutenden Gesprächen unter Männern auf der einen Seite und sinnlichen Begegnungen mit der Frauenwelt auf der anderen. Aber auch ein Hamburger, Berliner oder Münchner besucht ja seine Geliebte nicht, um mit ihr zu reden, sondern um seinen Spaß mit ihr zu haben.

Emanzipation ist mit islamischer Denkweise nicht vereinbar. Aber auch diese Welt verändert sich allmählich. Doch Muslimas wollen eigentlich Muslimas bleiben. Sie wollen lediglich die Freiheiten zurück, die ihnen über die Jahrzehnte genommen wurden. Und es sind recht bescheidene Freiheiten, wie das Recht, unverschleiert auf die Straße zu gehen. Das Recht, für jedermann erkennbar schön zu sein, begehrenswert zu sein, Frau zu sein.