Medienwelt: Ausbeutung der ganz üblen Art

Sinah Edhofer hat mein volles Verständnis. Die Bloggerin und ist 23 Jahre alt. 3 Jahre davon hat sie mit einem Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft verbracht. Nebenbei hat sie gejobbt. "Praktika" nennt man das heute und bezeichnet damit Arbeit gegen ein Taschengeld, das der Studentin viel Erfahrung, ihren Arbeitgebern aber vor allem eine willige, hochmotivierte und obendrein noch konkurrenzlos billige Arbeitskraft beschert.


In Ihrem Blog TheBlackShirt lässt Sinah ihrem Frust freien Lauf. Zu Recht, wie ich meine. Denn die junge Frau steht vor der Erkenntnis, dass Sie einnst "etwas Cooles" mit Medien machen wollte und statt eines interessanten Jobs nur von Praktika zu Praktika hechelt. Für ein Einkommen im 3stelligen Bereich, bei dem man sich fragen muss, ob es nicht doch besser ist, gleich Hartz 4 zu beantragen.

Ich muss sagen, mir kommt die Galle hoch, wenn ich so etwas lese. Denn ich weiß, dass es in der Kommunikationsbranche, in der ich viele Jahre lang gearbeitet habe, keinen Deut anders ist. Auch hier reden die Kunden im edel ausgestatteten Besprechungsraum mit den großen Machern aus der Vorstandsetage, während die eigentliche kreative Arbeit von engagierten Praktikanten gemacht wird, die man sich für ein paar Pennies von der Hochschule holt.

"Junge Menschen sind kein Kanonenfutter," schreibt Sinah: "Sie sind motiviert, nicht vorbelastet, voller Erwartungen und ihr, die ihr da seit 1996 in eure ledernen Chefsesseln furzt und von großen Visionen, Teamgeist und Delegation redet und mit Wissen von eurem Wirtschaftsstudium aus den 70ern prahlt, ruiniert unsere Erwartungen an das Arbeitsleben."

Das ist deutlich. Vor allem aber ist es wahr. Und es betrifft durchaus nicht nur die Jungen. Ich selbst habe schon auf die Anfrage einer Hamburger Agentur reagiert. Es ging um das Texten von Blogartikeln für Unternehmen im High-Techn-Bereich. Um Inhalte also, für die man schon etwas Hintergrundwissen braucht und die man nicht einfach so am Computer runtertippen kann. Als ich meinen Preis nannte, kam die lapidare Antwort, das könne man auch für 4 Cents pro Wort haben.

Die Agentur sitzt in einer angesagten Adresse in der Hamburger Hafen City. Ein Quadratmeter Büroraum kostet dort deutlich mehr als man einem Mitarbeiter für eine Stunde Arbeit zu zahlen bereit ist. Aber die Adresse ist angesagt. Damit kann man seine Kunden beeindrucken. Mit dem Porsche in der Tiefgarage auch. Dafür müssen dann eben andere sehen, wie sie über die Runden kommen. Man kann ja heute immer sagen, dass der "Markt" gerade mal soviel hergibt, dass ein kleiner Angestellter damit überleben kann. Von leben möchte ich da gar nicht sprechen.

Ich kann meinen jungen Kollegen nur raten: geht aufs Amt und lasst euch vom Staat durchfüttern. Er ist es schließlich, der solche Verhältnisse zulässt, ja über viele Jahre geradezu gefördert hat. Außerdem: jeder hat das Recht, dass seine Arbeit Wertschätzung genießt. Und die drückt sich heute nun mal in einem ordentlichen Gehalt aus. Bekommt man das nicht, sollte man dem bornierten Typen hinter dem Schreibtisch seine Meinung sagen und das Haus verlassen. Denn niemand sollte sich unter Wert verkaufen. Niemand. Und kein junger Mensch sollte allein für die Hoffnung leben, eines Tages "übernommen" zu werden. Das wird nämlich nicht geschehen. Nicht in einem Unternehmen, das keine Wertschätzung für seine Arbeit hat.

Eine junge Mediengestalterin, die gerade ihr Studium beendet hatte, bestätigte mir übrigens, was die oben genannte Sinah schreibt. Auch sie tingelte nach dem Studium von Agentur zu Agentur und bekam überall nur Jobs angeboten, von denen man nicht leben kann. Sie meinte: "Wenn ich einen Fulltime-Job hinlege und trotzdem jeden Cent umdrehen muss, weil das Einkommen hinten und vorne nicht reicht, dann melde ich mich lieber arbeitslos und mache einen auf Freizeit."

Sie hat übrigens das getan, was ich für das einztig Richtige halte: Sie hat sich selbstständig gemacht, arbeitet manchmal im Home Office, manchmal in einem Coworking Space und schreibt Rechnungen, anstatt ein mieses Gehalt zu beziehen. Ich kann dasselbe nur jedem jungen Menschen raten, der heute den Einstieg in den Beruf finden will. Sucht euch einen Beruf, bei dem ihr euch selbstständig machen könnt. Sammelt Erfahrungen und werdet richtig gut in eurem Job. Wenn ihr noch wollt, könnt ihr später immer noch in eine feste Anstellung wechseln und dem Personalchef klarmachen, dass Erfahrung ihren Preis hat.


Denn niemand sollte dazu beitragen, dass Menschen andere Menschen ausbeuten.