Frauen: Schuhe kann man nie genug haben

Das Leben einer Frau ist ungleich komplizierter als das eines Mannes. Das kann man zum Beispiel an ihren Schuhen festmachen. Ein Mann kauft Schuhe, weil die alten abgelaufen sind und nächste Woche ein Bewerbungsgespräch ansteht. Eine Frau braucht ganz dringend ein paar neue Stiefel, weil die im Schaufenster standen und sie so verführerisch angesehen haben. Aber auch das ist nur die halbe Geschichte.

Auch wenn eine neue Gattung von „Wissenschaftlern“ uns einreden will, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich sind und sich nur durch ein paar körperliche Details unterscheiden, beweist die alltägliche Lebenserfahrung, dass das einfach nur Bullshit ist. Dafür genügt schon ein Besuch bei Lafayette. Die Abteilung für die Damen nimmt vom Parfüm bis zu den Dessous gut und gerne die ersten drei Stockwerke ein. Die Herrenabteilung versteckt sich irgendwo ganz oben und wird meist nur von Männern besucht, die ohnehin da sind, weil es ihnen zu langweilig war, ihr bei unzähligen Anproben zuzusehen.

Im Schuhhaus sieht es nicht viel anders aus. „Wo ist die Herrenabteilung?“ fragt er. „Treppe hoch und ganz hinten,“ bekommt er zur Antwort. Von wegen Gleichheit. Hier sind Frauen unter sich und Männer sind bestenfalls eine geduldete Spezies. Was ja auch irgendwie verständlich ist, denn von Herrenschuhen allein kann kein Geschäft leben. Was ja auch kein Wunder ist, bei der mäßigen Nachfrage. „Ein Paar Schuhe für einen blauen Anzug wünscht der Herr? Also schwarz, in welcher Größe.“

Schwarz ist immer gut, denn schwarz passt zu allem. Ansonsten ist ein Schuh eben ein Schuh. Es gibt ihn schlicht und formell fürs Büro oder die Oper. Und es gibt ihn sportlich für alle anderen Gelegenheiten. Ansonsten muss er passen ohne zu drücken. Und er muss lange halten, damit Mann nicht so schnell wiederkommen muss. Interessanter sind da schon die bunten Dinger, die es im Sportgeschäft gibt. Da steckt echt Technik drin und man muss sich genau überlegen, ob man damit eher auf festem Untergrund laufen will, auf Waldboden ober über die Wiese. Da brauchen auch Männer ein paar Minuten, um sich richtig zu entscheiden. Oder sie überlassen  die Entscheidung einfach dem Verkäufer, denn er weiß ohnehin alles besser.

Schuhkauf für Männer ist bestenfalls Minutensache. Bei Frauen heißt das Shopping und kann gut und gerne einen ganzen Nachmittag dauern. Ein Grund, weshalb der Autor dieser Zeilen nie im Beisein seiner Liebsten ein Schuhgeschäft betritt. Dort gibt es meist noch nicht einmal einen bequemen Sessel, in dem er es sich als Zaungast bequem machen kann. Also heißt es, sich ein Alternativprogramm ausdenken um nicht im Weg zu stehen. „Ich geh jetzt ganz nach oben, einen Kaffee trinken. Ruf einfach durch, wenn du fertig bist.“ Gut, wenn man jetzt ein Tablet dabei hat, um ein Buch zu lesen, die eMails zu checken oder einen Film anzusehen. Denn aus der halben Stunde, von der sie geredet hat, wird eh eine Stunde. Mindestens.

Wobei man zugeben muss, dass es für eine Frau nicht ganz einfach ist, ein Paar Schuhe zu erstehen, das erstens gut aussieht, zweitens passt und drittens so konstruiert ist, dass man darin auch laufen kann. Denn besonders Letzteres ist bei Frauenschuhen durchaus keine Selbstverständlichkeit. Ich habe ja manchmal den Verdacht, dass solche Schuhe von sadistischen Männern entworfen werden, die genau wissen, was bei einer Frau Begehrlichkeiten weckt, um sie dann mit jedem Schritt dafür büßen zu lassen.

Wobei schon allein die Vielfalt jeden Mann in die Verzweiflung treiben würde. Es gibt sie nicht nur mit gar keinen, niedrigen, etwas höheren, hohen und richtig hohen Absätzen. Man muss auch zwischen geschlossen, etwas offen und nicht ganz so offen entscheiden. Man muss sich mit den unterschiedlichsten Verschlüssen auseinandersetzen, die alle eines gemein haben, nämlich die Fähigkeit, sich nach wenigen geglückten Schließvorgängen in Luft aufzulösen. Und dann ist da noch die Farbe. Frauenschuhe gibt es nicht einfach in schwarz oder braun, sondern in nahezu jedem Farbton dieser Welt. Da muss man schon ganz genau hinsehen aufpassen, damit die Fußbekleidung auch zu dem Stoff passt, der weiter oben anfängt. Denn blau ist nicht gleich blau, pink ist nicht gleich pink und auch rot kennt tausend Nuancen.

Das macht die Wahl zur Qual. Und das erklärt, weshalb so ein Entscheidungsprozess seine Zeit braucht und nicht in ein paar Minuten abgehakt ist. Wobei es besonders kritisch ist, wenn er aus irgendeinem Grund der ganzen Zeremonie beiwohnt und alle paar Minuten gefragt wird, was er denn von diesem oder jenem Paar halte und für welches er sich an ihrer Stelle entscheiden würde.

Die ehrliche Antwort darauf müsste eigentlich lauten: „Keines von beiden, denn sie sehen alle nicht aus, als ob man darin mehr als zehn Minuten laufen könnte.“ Aber solche Antworten sind natürlich nicht gewünscht, weshalb er einfach irgend etwas sagt. Es ist ohnehin ohne Bedeutung, denn sie wird danach mindestens noch zehn weitere Alternativen ausprobieren und am Ende ohne Entscheidung den Laden verlassen.