Nimm den Bus. Nehme die Bahn. Bringe viel Zeit mit.

Ich höre sie immer wieder, die Autogegner, die der festen Meinung sind, man könne auch ohne eigenes Leben uneingeschränkt mobil sein. Nein, kann man nicht, ist meine Überzeugung und die wird durch jede neue Erfahrung bestätigt. Denn erstens kommt man weder mit der Bahn noch mit dem Bus überall hin und zweitens muss man dafür immens viel Zeit investieren. Dabei hat der öffentliche Nah- und Fernverkehr durchaus seine Vorteile. Man kann die Zeit zum Lesen, Filme gucken, Arbeiten nutzen. Und man kommt ganz entspannnt an, denn man wird gefahren, anstatt selbst fahren zu müssen.

Eigentlich fahre ich ja gerne mit der Bahn. Und wenn, dann gönne ich mir ein Ticket erster Klasse und genieße es, Ellenbogenfreiheit zu haben und die Beine ausstrecken zu können. Bahn fahren hat nämlich einen ganz entscheidenden Vorteil: Man kann die Zeit nutzen, während man Kilometer für Kilometer dem Ziel entgegen fährt. Ich habe immer ein paar Bücher auf meinem Tablet, die ich schon lange mal lesen wollte. Dazu gibt es Gigabytes an Musik für praktisch jede Stimmung. Und wenn der Kopf von den vielen Buchstaben allmählich müde wird, greife ich gerne auf meine Filmsammlung zurück, die ich mir regelmäßig aus den Videotheken und von Youtube herunterlade.

Manchmal fahre ich auch zum Kunden, um ein Projekt zu besprechen, ein Interview zu führen oder mir eine technische Anwendung, über die ich schreiben soll, direkt vor Ort anzusehen. Und nicht selten entsteht bereits auf der Rückfahrt im ICE der Artikel dazu – geschrieben aus all den Eindrücken und all den Details, die ich noch frisch im Kopf habe. So mancher Kunde hat nicht schlecht gestaunt, als er seinen Artikel noch am selben Abend in seiner Mailbox fand – live und direkt über das WLAN im Zug.

Im Vergleich dazu ist eine Fahrt mit dem Auto einfach nur verlorene Zeit.

Doch nichts im Leben ist wirklich perfekt und alles hat seinen Preis. In diesem Fall heißt der Preis vor allem Zeit. Denn Reisen mit der Bahn kann richtig dauern. Nicht weil Züge sich verspäten und die Anschlüsse platzen können. Sondern vor allem, weil Züge selten genau dann fahren, wenn man sie braucht. Wobei mir viele Bus- und Bahn-Enthusiasten immer wieder eine Milchmädchenrechnung aufmachen, die so nicht stimmt.

Nehmen wir eine einfache Fahrt mit dem Nahverkehr. In diesem Fall vom Seebad Travemünde nach Hamburg. Mit dem Auto schaffe ich das locker in weniger als einer Stunde. Mit dem Zug sieht das völlig anders aus. Das beginnt schon damit, dass ich erst mal einen Fußmarsch von rund 20 Minuten brauche, um überhaupt zum Bahnhof zu kommen. Und weil ich natürlich nicht erst in letzter Minute da sein will, kalkuliere ich dafür schon mal eine halbe Stunde ein. Die Fahrt mit dem Regionalzug nach Lübeck dauert dann eine weitere halbe Stunde. Meist muss ich dann noch eine Viertelstunde warten und kann dann den Interregio nach Hamburg nehmen. Macht in der Summe zwei Stunden Zeitaufwand – und ich bin wieder erst am Bahnhof. Von dort aus muss ich nämlich noch die S-Bahn oder U-Bahn und vielleicht noch den Bus nehmen, bis ich endlich am Ziel bin. Zeitbedarf einschließlich Wartezeiten wieder eine halbe bis eine Stunde.

Mein Hamburg-Trip erfordert also 5 bis 6 Stunden Zeitaufwand allein für die Hin- und Rückfahrt. Da bleibt vom Tag nur noch wenig übrig. Mit dem Auto wäre ich ganze 2 Stunden auf der Piste gewesen. Plus einem eventuellen Stau natürlich. Aber die Bahn ist auch nicht immer pünktlich.

Immer wenn eine geschäftliche Reise über eine größere Entfernung ansteht, stehe ich vor derselben Frage: Bahn oder Auto? Denn wie gesagt, eigentlich fahre ich gerne Bahn. Doch das Ergebnis ist eigentlich immer dasselbe: Liegt mein Ziel in einer Stadt, die vom ICE angefahren wird, ist meist die Bahn die bessere Wahl. Muss ich allerdings noch zwei, dreimal umsteigen, ist der Zeitbedarf so groß, dass ich es mir doch anders überlege und ins Auto steige. Oft ist der Zeitbedarf sogar so hoch und die Verbindungen so ungünstig, dass ich die Reise an einem Tag gar nicht schaffen könnte und irgendwo übernachten müsste.

Im Freizeitbereich sieht es ähnlich aus. Vor kurzem zum Beispiel wollte ich die neu renovierte Oper unter den Linden in Berlin besuchen und mit ein Ballett ansehen. Zur Wahl standen Auto, Bus oder Bahn. Ich habe mich für den Flixbus entschieden. Der fährt früh morgens in Lübeck ab und ist gegen elf in Berlin. Doch auch hier: der Zeitbedarf ist erheblich. Da das Auto in der Garage blieb, musste ich erst mal den Bus von Travemünde nach Lübeck nehmen. Das dauert gut eine Stunde. Da der Bus so früh noch nicht fährt, fuhr ich am Abend zuvor und übernachtete bei meiner Liebsten. Am nächsten hieß es dann, ganz früh aufstehen und rechtzeitig den Bus zum Bahnhof erwischen. Dort war erst einmal eine halbe Stunde Wartezeit angesagt und es konnte endlich losgehen.

Der Flixbus braucht vier Stunden bis Berlin und hält dort am Busbahnhof beim Funkturm. Also: nächste U-Bahn-Station finden und erst einmal zum Hotel fahren. Zeitaufwand für die gesamte Aktion: knapp 7 Stunden, also 14 Stunden allein für die Mobilität. Mit dem Auto hätte ich keine 5 Stunden gebraucht.

Mein persönliches Fazit: Ja, man kann es. Man kann durchaus ohne eigenes Auto leben und seine Mobilität allein mit Bussen und Bahnen gewährleisten. Aber man muss verdammt viel Zeit mitbringen. Und billiger ist das bei näherem Hinsehen auch nicht. Denn Fahrpläne passen nicht immer zur eigenen Situation. Oft muss man daher hier und da eine halbe Stunde Wartezeit überbrücken. Und das geschieht nicht selten in irgendwelchen Star Bucks Cafés oder Fast Food-Restaurants, wo man viel Geld für einen guten Kaffee oder schlechtes Essen ausgibt. Nicht selten muss man auch eine Übernachtung einplanen, die dann schnell 100 Euro plus Abendessen verschlingt.

Ich werde also nach wie vor die Entscheidung ganz nach Situation treffen. Und meist eben doch schnell und bequem im eigenen Auto fahren.