Die Zeitung stirbt und das ist gut so

Morgens in der U-Bahn kann man sie noch sehen. Menschen, die hinter ihrer Zeitung verschwinden, um sich während der Fahrt zum Arbeitsplatz schnell die neuesten Informationen anzulesen. Oder zumindest das, was sie dafür halten, denn meist ist es die Bild, die da gelesen wird, was zumindest gewisse Rückschlüsse auf den Intellekt des Lesers zulässt. Auch bei meinem Bäcker um die Ecke liegt sie aus. Als ich kürzlich ein paar Tage an der Ostsee war, lag sie beim Bäcker aus. Es waren vor allem Urlauber im Rentenalter, die danach griffen.

Auch im ICE wird gelesen. Meist ist dabei aber kein bedrucktes Papier im Spiel, sondern ein kleines flaches Plastikbrett. Gelegentlich tippt der Lesende mit dem Finger drauf oder vollführt irgendwelche wischenden Bewegungen. Ansonsten das gleiche Bild wie im Nahverkehr: Die Älteren lesen Zeituzng, die Jüngeren tippen und wischen. Wobei die Grenzen fließend geworden sind.

Ich selbst scheine da wirgendwie nicht ins Bild zu passen. Mein Haar hat zwar auch nicht mehr die Färbung von früher. Aber ich habe seit Jahren keine Zeitung mehr gelesen. Nachrichten liefert mein Newsreader und zwar nicht einfach irgendwelche, sondern genau zu den Themen, die mich interessieren. Die App nennt sich Feedly und ich habe sie sowohl auf dem Tablet als auch auf dem Smartphone installiert. Sie präsentiert mir nicht nur die Meldungen der üblichen Verlagsmedien, sondern vor allem solche, die es nur online gibt. Dazu einige Blogs, die mich interessieren.

Die etablierten Verlage jammern schon seit Jahren über sinkende Auflagen und ein frustrierendes Anzeigengeschäft. Früher, ja da ging es ihnen richtig gut. Da musste jeder, der sein Auto verkaufen wollte, eine Anzeige im Lokalblatt schalten, die Supermärkte buchten gleich ganze Seiten und am Wochenende war die Zeitung vor lauter Werbung dreimal so dick wie sonst. Manche kauften die Lokalzeitung nur am Wochenende, um die Stellenzeigen oder die Wohnungsangebote zu studieren. Ansonsten glaubte man damals, was man schwarz auf weiß lesen konnte, und kaum ein Leser merkte, dass das Zeitgeschehen immer so kommentiert wurde, wie es der politischen Coleur des Verlages entsprach.

Genau das funktioniert aber heute nur noch unzureichend. Besonders die jüngere Generation abonniert keine Zeitung mehr und will sich auch nicht nur aus einer Quelle informieren. Autos kauft man schon lange übers Internet und wenn man etwas wissen will, geht nicht mehr in den Buchladen, sondern googelt. Mit der Folge, dass die Informationsbasis breiter und der Durchblick größer geworden ist. Und dass die Verlage ihr einstiges Informationsmonopol verloren haben.

Doch ein Geschäftsmodell, das sich seit über hundert Jahren bewährt hat, lässt offensichtlich nicht so schnell aus den Köpfen vertreiben. Das sieht man daran, dass man bei den Mainstream-Medien ofensichtlich immer noch glaubt, das uralte Marketing aus der Papierzeit einfach aufs Internet übertragen zu können. Ein Glaube, der sich hartnäckig hält, auch wenn er längst von der Realität überholt wurde. Nur wenige Leser sind bereit, nach wie vor "ihre" Zeitung zu abonnieren, um sie dann auf dem Tablet lesen zu können. Die Mehrheit ist längst nicht mehr gewillt, Geld für Nachrichten auszugeben, über die man ohnehin an jeder Ecke stolpert.

Da mutet es geradezu lächerlich an, wenn ich von manchen Medien aufgefordert werde, meinen Adblocker abzuschalten, damit sie mich mit Werbung zumüllen können. Nein, das werde ich nicht tun. Ich klicke einfach weiter und suche mir meinen Lesestoff woanders. Auch wenn es zunehmend nerviger wird, Spiegel, Focus oder Zeit zu lesen. Nicht nur dass es ewig dauert, bis eine Seite "da" ist, weil irgend ein Adserver erst unzählige Werbebanner auf der Seite verteilen muss. Manchmal schiebt sich auch mitten im Satz der Text aus dem Blickfeld und mir wird irgend ein Werbefilm aufgedrängt. Dafür soll ich Geld ausgeben? Ihr spinnt wohl.

Das beste Marketing bestand schon immer darin, die Erwartungen der Zielgruppe zu erfüllen und seinen Kunden einen echten Mehrwert zu bieten. Und die beste Kundenbindung hieß schon immer Qualität. Das ist in der Industrie nicht anders als in der Medienwelt. Leser erwarten einen unabhängigen Journalismus, der nicht von wirtschaftlichen oder politischen Interessen gesteuert ist. Und sie wollen sauber recherchierte Artikel lesen, die Hintergründe vermitteln und Zusammenhänge deutlich machen. Dafür gibt es auch heute noch genügend gute und engagierte Journalisten. Doch die findet man nur noch ganz selten bei den großen Zeitungen. Ganz einfach, weil sie kein Thema sauber recherchieren können, wenn sie dafür nur ein mickriges Zeilenhonorar bekommen, das gerade mal die Zeit fürs Tippen abdeckt. Und sie können keine großartigen Reportagen liefern, wenn sie von ihrer Arbeit nicht anständig leben können.

Deshalb finde ich es besser, wenn motivierte Journalisten ein eigenes Portal betreiben und ihrer Arbeit nachgehen, ohne dabei auf irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen Interessen Rücksicht nehmen zu müssen. Und ich meine, die haben auch die Leser verdient, die für Reichweite und damit für Werbeeinnahmen sorgen.