Kulturfestival auf Grün getrimmt

Seitdem wir in der grünbunten Scheinwelt leben, ist alles etwas sparsamer geworden im Land. Da las ich zum Beispiel vom Seebadkultur-Festival in Travemünde. Das hörte sich gut an, denn es waren Musikproben aus aller Welt angesagt. Salsa Cubana stand auf dem Programm. Latin Jazz, Funk, Soul und Irish Folk. Was es nicht gab, sollte ich erfahren.

Das fing schon mit der Location an. Dass es sich um einen reichlich grün angepinselten Event handeln würde, war schon im Vorfeld verkündet worden. „…ganz im Sinne unseres Touristischen Entwicklungskonzeptes mit seinem nachhaltigen Veranstaltungskonzept zur Angebotsentwicklung in Travemünde als klimafreundliches Reiseziel bei,“ beschrieb die Lübeck-Travemünde Marketing Gesellschaft (LTM) den Event.

„Ich freue mich sehr, dass wir mit diesem Festival ein Format geschaffen haben, mit dem wir die Vielfalt der Veranstaltungslandschaft in Travemünde vorstellen und das Thema Nachhaltigkeit besonders in den Fokus stellen können,“ ergänzte LTM-Geschäftsführer Christian Martin Lukas. In der Berichterstattung war auch von einem besonders geringen „CO2-Fußabdruck“ die Rede. Die üblichen Buzzwords eben, die man aus dem rotgrünen Lübeck erwarten musste, wo ja auch vor Jahren schon der eingebildete Klimanotstand ausgerufen worden war.

Angeblich stammt der Strom für das Festival „aus 100 Prozent regenerativen Energiequellen wie Windkraft oder Solar“, so der Veranstalter. In Wirklichkeit war es natürlich der momentan gerade verfügbare Strommix aus dem Grid, denn etwas anderes können auch die Stadtwerke Lübeck nicht anbieten. Solarstrom war zu dieser Abendstunde sicher nicht darunter und ein Großteil der Windturbinen hier an der Küste standen mal wieder still, weil die Industrie schon lange Feierabend hatte und die ohnehin laufenden Kohlekraftwerke mehr als genügend Megawatt lieferten.

Eigentlich hatte ich meine Liebste dazu überredet, auf das gemeinsame Abendessen zu verzichten und stattdessen auf dem Festival etwas zu essen. Aber - reingefallen - daraus wurde leider nichts. Nachdem man schon im vergangenen Jahr beim Catering auf rein vegane Angebote gesetzt hatte, die vom Publikum eher verschmäht wurden, hatten wohl  dieses Mal die meisten Gastronomen abgesagt und das kulinarische Beiwerk war entsprechend mager.

Immerhin gab es da einen vielversprechenden Food Truck, der einen kräftigen Cheeseburger mit Speck versprach. Den steuerten wir dann auch zielstrebig an, denn es war höchste Zeit, das verpasste Dinner nachzuholen. Dass der Truck ziemlich unbeachtet dastand und der Mann hinter dem Tresen einen ziemlich frustrierten Eindruck vermittelte, machte uns zwar etwas stutzig, aber die Erklärung kam unmittelbar auf die erwartungsvoll vorgetragene Bestellung: „Der Veranstalter hat leider nur vegane Produkte zugelassen. Ich kann Ihnen daher nur Fleischersatz anbieten.“

Klar doch, grüne Köpfe lassen sich von Misserfolgen nicht beirren. Und wenn das Publikum keine nicht-Hamburger will, dann muss man es eben dazu zwingen. Es geht schließlich ums Klima, um CO2, um Nachhaltigkeit und überhaupt.

Was jedoch offensichtlich nicht funktionierte. Ich habe nämlich gut eine Stunde lang den Food Truck im Auge behalten. Aber mehr als ein paar Pommes mit Ketschapp wurde in dieser Zeit nicht verkauft. Überhaupt waren die wenigen Catering-Buden alles andere als umlagert. Den traurigsten Eindruck schien mir der Eisverkäufer zu machen.

Laut Medienberichten befanden wir uns zwar angeblich im heißesten Mai seit hundert Jahren, aber die Wetterwirklichkeit war mal wieder völlig anders als die Meinungsmache der Mainstream-Medien. Zumindest herrschte hier an der Ostseeküste eine recht steife Brise und ich war froh, eine Jacke mitgenommen zu haben. Meine Liebste hatte nach einem Blick aus dem Wohnzimmerfenster allein auf den strahlend blauen Himmel vertraut und ein sommerlich kurzes Kleidchen angezogen.  Das sah zwar sexy aus, aber sie war mittlerweile nicht nur hungrig, sondern frierte auch wie ein Schneider.

Wobei ich dem Leser eine witzige Anekdote nicht vorenthalten will. So ein Festival ist natürlich aus grüner Weltsicht fürchterlich klimaschädlich. Aber die LTM hat eine geniale Idee entwickelt, um den angeblich gigantischen CO2-Ausstoß zu neutralisieren: „Auf einen mehrseitigen Programmflyer für die Veranstaltung wird verzichtet, dafür gibt es eine Postkarte aus Blütensamenpapier zum Aussäen in der Natur und mit QR-Code, der auf das Online-Programm verweist.“ Offensichtlich soll man die Postkarte einfach in die Landschaft werfen, denn sie wandelt sich schließlich auf wundersame Weise in blühende Natur.

Doch der Umweltirrsinn war damit noch lange nicht zu Ende. Gleich neben der Bühne gab es nämlich einen bunt bemalten Container, in dem geschätzte zwei Dutzend kleine Bäume in Plastik-Blumentöpfen standen. Ein gelangweilter LTM-Mitarbeiter passte darauf auf, beziehungsweise er chattete aufgeregt mit irgendjemand über sein Handy.

Den Sinn dahinter erfuhr ich erst später: „Darüber hinaus kompensiert die LTM durch das Pflanzen von Bäumen ihren Teil für Transporte und Fahrten. Auch die Festivalbesucher haben die Möglichkeit, den Einsatz von fossilen Brennstoffen für An- und Abfahrt und die Zubereitung von Speisen mit dem Kauf eines Baumes auszugleichen.“

So eine Gedankenakrobatik kann vermutlich nur aus grünroten Köpfen sprießen. Und davon scheint es in den Lübecker Institutionen reichlich viele zu geben. Da will man allen Ernstes den Besuchern eines Festivals ein schlechtes Gewissen einreden und zum Kauf von Bäumen animieren, weil sie mit ihrem Besuch am Strand von Travemünde eine angeblich dramatische Auswirkung auf das Klima haben.

Na ja, die Festival-Besucher schienen den Irrsinn immerhin zu durchschauen. Zumindest habe ich den ganzen Abend niemand gesehen, der zum Ausgleich für seinen gewaltigen CO2-Fußabdruck ein Bäumchen gekauft hat.

Den durchaus vorhandenen, aber dennoch völlig natürlichen Klimawandel kann man medial noch so sehr dramatisieren, am Ende ist es einfach nur Wetter, das nicht immer so ausfällt, wie es gerade in die politische Agenda passt. Mit Temperaturen an der Zittergrenze habe ich zumindest an diesem Festival-Abend nichts von der Hitzewelle des angeblich heißesten Mai seit Ewigkeiten gespürt. Auch mein unbändiger Appetit auf einen simplen Hamburger wird das Klima nicht verändert haben. Und das von mir ausgestoßene CO2 war vermutlich genau das Spurengas, das den Wald am Brodtener Ufer von Travemünde am Leben erhält.

Der ganz profane Hunger hat uns übrigens veranlasst, das Festival noch vor dem Ende zu verlassen. Anstatt mit einem Hamburger den Amazonas zu vernichten haben dann mit einer Fischplatte die Meere leergefischt. Ganz ohne CO2-Ausgleich.