Sein halbes Leben verbringt der Mann mit Warten
Sie fragt "bist du fertig?" und läuft dabei aufgeregt zwischen Bad und Schlafzimmer hin und her. Ihre Worte sind "ich muss nur mal schnell" und du weißt, dass du jetzt erst mal einen Kaffee trinken kannst. Ihr seid für 17 Uhr verabredet und du stehst seit einer Virtelstunde im Parkverbot. Sie probiert das vierte Kleid an und du blätterst zum dritten Mal in einer Modezeitschrift, die dich überhaupt nicht interessiert.
Das sind die Momente im Leben, die man entweder mit stoischer Ruhe hinnehmen kann. Oder man spürt, wie langsam aber sicher der Adrenalinpegel sein kritisches Niveau erreicht. Wobei ersteres ein Stück Lebensphilosophie ist und zweiteres auf Dauer ernsthafte Gesundheitsschäden nach sich zieht.
Auch ich habe so ein Exemplar an meiner Seite, dessen dessen Zeitgefühl zwischen ungefähr und vielleicht liegt. Nur wenn es um ihre Interessen geht, kann sie erstaunlich pünktlich sein. Und sie fährt lieber eine Stunde früher los, als ein Konzert wegen Stau zu verpassen. Ansonsten ist Warten angesagt. Auf ihrer Couch. Vor ihrer Tür. In der Boutique (wo man das schon kennt und extra für Männer eine bequeme Couchecke mit Zeitschriften zum Zeitvertreib eingerichtet hat). Ja eigentlich immer dann, wenn Mann mit dem Gedanken spielt, was er mit dieser Zeit alles anfangen könnte.
Mein Anpassungsverhalten setzte ganz langsam ein. Erst habe ich das Smartphoe durch ein Phablet ersetzt. Das passt immer noch in die Jackentasche, hat aber ein größeres Display, auf dem man erheblich besser Lesen kann. Ein paar eBooks habe ich seitdem immer dabei. Ein Dutzend Filme auch. Musik sowieso. Und dank Flatrate war sogar Zeitung lesen kein Problem. Mit der Folge, dass sich mein Wissenshorizont deutlich erweiterte und ich endlich die Filme sehen konnte, für die ich mir früher nie Zeit nehmen wollte. Ich habe sogar Bücher gelesen, die ich mir auf Papier niegekauft hätte. Zehn MInuten Warten hier und eine halbe Stunde Untätigkeit da summieren sich nämlich im Laufe der Zeit zu vielen Stunden, die man in unserem Digitalzeitalter ziemlich sinnvoll nutzen kann.
Die nächste Phase hieß Vermeidung. Wenn das Wort Shopping fiel, hatte ich eben plötzlich immer etwas fürchterlich wichtiges zu erledigen. Schließlich muss ich kein Teil eines langwierigen weiblichen Entscheidungsprozesses sein, dessen Ergebnis ich am Ende ohnehin nur marginal beeinflusse. Lässt sich ein schneller Besuch bei Boss nicht vermeiden, weil wir ja sowieso zur Oper in Hamburg waren und das Top aus dem Internet unbedingt vor Ort anprobiert werden muss, parke ich heute in aller Ruhe das Auto für vier Euro die Stunde und ziehe mich in ein Café zurück. Dort soll sie dann hinkommen, wenn sie fertig ist. Pünktlich um sechs natürlich, was in der Praxis halb sieben heißt. Ich trinke jetzt deuztlich zu viel Kaffee, aber dafür hat meine innere Ruhe zugenommen und ich habe jetzt endlich die alten Klassiker gelesen, die eigentlich zur Schulzeit dran waren.
Mein praktischer Tipp an alle Leidensgenossen: Es gibt Naturgesetze, gegen die sind wir machtlos. Frauen haben nun mal ein anderes Verhältnis zu Zeit als unsereines. Und sie halten andere Dinge für wichtig als wir es tun. Aber man muss sie eben nehmen wie sie sind und das heißt, die Dinge genießen, die wir an ihnen schätzen und die Dinge ertragen, die irgendwie mit dazu gehören.
Technisch gesehen habe ich ein paar sinnvolle Hinweise: Wer seine Zeit nicht mit Facebook, Twitter & Co. vertippen will, sollte sich den Reader von Amazon aufs Handy holen und fortan nur noch eBooks lesen. Mit Feedly kann man sich ein eigenes Menü an Nachrichtenquellen zusammenstellen, um sich genau zu den Themen auf dem Laufenden zu halten, die der eigenen Interessenslage entsprechen. Für Musik, Videos und die Bildersammlung habe ich mich für KODI entschieden. Die Filme und Dokus aus den Mediatheken der Fernsehwelt lade ich mir mit Mediathekview herunter (was es allerdings nur für Linux gibt) und kopiere alles über das Heimnetz aufs Handy. Ach ja, wenn ich etwas arbeiten möchte und nicht den Notebook mitschleppen will, ist das Lenovo Book eine gute Lösung. Das Tablet gibt es für Android und Windows. Es ist ganze 10 mm dick und hat eine aufklappbare Touch-Tastatur, auf der man ganz passibel schreiben kann.
Steffen Wolfrath