Beziehung: Aufgeben. Schluss machen. Neu anfangen
Die Scheidungsquote in Deutschland liegt derzeit bei 40%. Das berichtet das Statistische Bundesamt. 100 Eheschließungen im Jahr 2016 stehen also 40 Scheidungen im selben Zeitraum gegenüber. Das liegt ein Stück unter dem Rekordjahr 2005, in dem die Scheidungsrate bei 51 % lag. Und es ist ein Vielfaches von den 10,6 %. im Jahr 1960.
Interessant ist dabei, dass die Hälfte aller Ehen bereits innerhalb der ersten 7 Jahre ihr Ende finden. Das will zumindest die Welt herausgefunden haben. Eine erstaunliche Erkenntnis, wenn man daran denkt, dass man ja nicht einfach spontan aus einer momentanen Laune heraus heiratet. Menschen, die meinen, so gut zueinander zu passen, dass sie auf Dauer zusammen leben wollen, haben ja meist schon eine Monate, wenn nicht Jahre anhaltende Beziehung hinter sich. Sie haben viel Geld und Energie in ihre Hochzeit gesteckt und sich ganz feierlich vor vielen Zeugen zueinander bekannt. Wie kann das schon wenige Jahre später vergessen sein?
Noch vernichtender ist eine britische Studie, bei der knapp 2.000 Singles befragt wurden, die sich erst kürzlich aus einer Beziehung gelöst haben. Hier ging es nicht allein um Ehescheidungen, sondern um sämtliche Beziehungsformen, die man heute kennt. Von der reinen Freizeitbeziehung, die nur am Wochenende ausgelebt wird, über das gemeinsame Leben unter einem Dach bis zur formellen Ehe mit besten Absichten. Das Ergebnis: im Schnitt hält eine Beziehung ganze 2 Jahre und 9 Monate.
Eine Dating-Börse ist also ein profitables Geschäftsmodell, da man davon ausgehen kann, dass jeder erfolgreiche Besucher mit großer Wahrscheinlichkeit nach drei Jahren wiederkommt. So häufig wechseln die meisten Deutschen auch ihr Auto.
Die lebenslange Beziehung, ob als Ehe oder wie auch immer, hat also in unserer Gesellschaft mittlerweile absoluten Seltenheitswert. Realität ist das Beziehungskarussell, das sich immer schneller dreht: Man trifft sich, man verliebt sich, man zieht zusammen, man streitet sich, man geht auseinander. Ein ziemlich aufwendiges Lebensmodell, das unendlich viel Energie verschlingt und einen ständigen Zyklus zwischen Euphorie und Enttäuschung mit sich bringt.
Woran das liegt, kann keiner mit Sicherheit sagen. Doch es gibt Gründe, die auf der Hand liegen.
In der besagten britischen Studie äußerten sich die Befragten auch zu den Gründen der Trennung. Dabei wurden auffallend oft die sozialen Netzwerke genannt. Dort hat man sich meist kennengelernt und dort gibt es auch laufend neue, verlockende Angebote, die immer dann ins Auge springen, wenn es in der Beziehung gerade kriselt. Die Herausgeber der Studie sind sich daher sicher, dass „...die kürzere Dauer moderner Beziehungen auf unsere hektische und von Technologie dominierte Welt zurückzuführen ist.“
Aber das allein ist es ganz sicher nicht. Wenn Beziehungen früher dauerhafter waren, dann hat das viel mit Faktoren wie Bildung, Abhängigkeit und gesellschaftlichen Normen zu tun. Der Sohn erhielt eine richtige Ausbildung. Die Tochter steckte man in die Hauswirtschaftsschule. Sie würde ohnehin bald heiraten und das hieß schlicht und einfach Kochen, Haushalt, Kinder. Eine geschiedene Frau trug ein lebenslanges Stigma mit sich herum, also blieb ihr nicht viel übrig, als an seiner Seite zu bleiben und das Leben so zu ertragen, wie es eben war. Außerdem wäre sie ohne sein Einkommen gnadenlos verarmt.
Dieses Lebensmodell gibt es immer noch und es ist durchaus nicht so selten, wie man denkt. Doch die Gesellschaft ist heute offener. Moral ist nicht mehr das, was die Kirche sagt. Alles ist erlaubt und niemand braucht mehr eine Lizenz, um zusammenleben zu dürfen (im Englischen spricht man tatsächlich von Marriage License). Man lernt sich kennen, man verliebt sich, man zieht zusammen. So einfach ist das. Vorher hat man noch getestet, ob man im Bett harmoniert und alles scheint bestens zu sein. Bis die Schmetterlinge im Bauch nicht mehr flattern wollen, die ersten Inkompatibilitäten sichtbar werden und das Ganze irgendwie seinen Reiz verliert. Dann kehrt der Alltag ein und nichts ist langweiliger als eine Beziehung, die nicht mehr knistert.
Aber man hat ja noch das Handy, Tablet oder Notebook. Die Passwörter hat man nie verraten und was auf dem Display passiert, ging den Anderen nie etwas an. Jetzt entsteht hier etwas Neues, Aufregendes, Faszinierendes, während die laufende Beziehung zunehmend stumpf wird. Bis man auseinander geht und das Spiel aufs Neue beginnt.
Klar haben die sozialen Medien diesen Prozess vereinfacht. Doch wirklich neu ist er nicht und die eigentlichen Ursachen liegen ganz woanders. Zum Beispiel in der Tatsache, dass die meisten von uns Männern nicht realisieren, dass eine Frau nur als Ganzes zu bekommen ist.
Natürlich ist sie der hübsche Arsch, der uns angemacht hat. Sie ist die feuchte Möse, die sie jedes Mal extra für uns rasiert. Sie ist das anschmiegsame Mädchen, das sich so verdammt gut anfühlt, während wir fernsehen. Doch sie hat auch Marotten, die uns gewaltig nerven. Immer lässt sie alles rumliegen (oder nervt uns mit ihrem Ordnungssinn). Nie ist sie pünktlich, wenn man verabredet ist. Und dann diese ständigen Launen, die einen ganzen Abend verderben können, ohne dass Mann sich darauf einstellen kann.
Umgekehrt ist es natürlich genauso, aber das soll hier nicht das Thema sein.
Mann braucht wohl ein paar Jahrzehnte, bis er gelernt hat, damit gelassen umzugehen. Bis ihm klar ist, dass er ihre liebenswerte Seite nur dann genießen kann, wenn er auch bereit ist, ihre nervige Seite zu tolerieren. Oft hat er bis dahin schon einige Beziehungen hinter sich, obwohl die erste aus der Retrospektive gesehen eigentlich gar nicht so übel war.
Aber wir sind eben in einer Welt aufgewachsen, in der alles um Effizienz und Optimierung geht. Das Leben ist endlich und es gilt, keine Zeit zu verlieren. Lebe den Tag und hol alles heraus, was er dir zu bieten hat. Probleme sind da, um gelöst zu werden und in der Beziehung heißt die schnellste Lösung immer Schluss machen und neu anfangen. Warum soll man auch Zeit investieren, um das Bestehende zu reparieren, wenn das Neue nur darauf wartet entdeckt zu werden.