Sie glauben an Jesus. Und an die Rute der Zucht. 

Wir im Westen sind doch der restlichen Welt haushoch überlegen. Wir sind aufgeklärt. Wir haben Demokratie. Wir sind gegen Sexismus. Wir kennen Gleichberechtigung und häusliche Gewalt ist bei uns verboten. Doch in religiös fundamentalistischen Kreisen sieht das völlig anders aus. Denn da stehen Gottes Gebote weit über jedem weltlichen Gesetz.

Sie leben mitten unter uns und doch sind sie „kein Teil dieser Welt“, wie sie immer wieder betonen. Nach ihrer Vorstellung liegt nämlich diese Welt in den Klauen Satans und wird am kommenden Gerichtstag Gottes vernichtet werden. Dass dieser unmittelbar bevorsteht, ist für sie keine Frage, denn die „Zeichen der Zeit“ sind eindeutig und die kann jeder in der Bibel nachlesen. 

Überhaupt ist die Bibel für „wahre Christen“ der einzige Maßstab. Schließlich wurde sie vom Schöpfer persönlich inspiriert, ist damit „Gottes Wort“ und wichtiger als jedes weltliche Gesetz. Und wenn in der Bibel steht, man solle seinem Kind die Rute nicht vorenthalten, dann halten sich gläubige Menschen daran. Sie erziehen ihre Kinder so, wie es der Herr empfohlen hat. Ist der Sohn ungehorsam, dann gibt es ein paar hinten drauf und das nicht zu knapp. Zeigt sich die Tochter widerspenstig, dann holt Vater den Lederriemen hervor und macht ihr klar, was von einer christlichen Tochter erwartet wird. 

Davon dringt selten etwas an die Außenwelt, denn man hat dem eigenen Nachwuchs schon von klein auf beigebracht, dass das ewige Leben von Gottes Segen abhängt und ungehorsame Kinder sterben müssen. Demnächst, wenn der Herr seinen endgültigen Gerichtstag abhält und alle Bösen vernichtet. Und die Bösen, das sind natürlich alle, die ihren Glauben nicht so ernst nehmen, wie die „wahren“ Christen, die beständig sein Wort studieren und seine Gebote halten. 

Und in diesen Geboten ist nicht nur zu lesen, dass Kinder schön brav und gehorsam sein müssen. Da steht sogar drin, dass es beim auserwählten Volk Gottes in alter Zeit üblich war, rebellische Kinder vor den Toren der Stadt zu steinigen. Schließlich galt es, das Böse auszumerzen und Gottes Wohlgefallen zu erhalten. Wenn man Kindern das oft genug erzählt, dann entsteht natürlich Angst vor diesem allmächtigen Gott und seinen unerbittlichen Regeln. Dann werden die Striemen, die Vaters Ledergürtel hinterlässt, geradezu als liebevolle Fürsorge empfunden, die vor dem ewigen Feuer des Todes schützt. Und mit dieser Angst haben christliche Eiferer ja reichlich Erfahrung. 

Dass man in diesen Kreisen natürlich besonders besorgt um das sittliche Wohl der weiblichen Gemeindemitglieder ist, liegt in der Natur der Sache. Frauen haben in der Gemeinde zu schweigen. Das hat schon der Apostel Paulus gesagt. Sie müssen auch stets keusch und bescheiden auftreten, denn nur so können sie Gottes Wohlgefallen erlangen. Vor allem ist es Mädchen und Frauen nicht erlaubt, Männerkleidung zu tragen. Jeans oder gar Leggins sind somit streng verboten. 

Ein junges Mädchen hat einen Rock oder ein schmuckes Kleid zu tragen. Ausschließlich und ohne wenn und aber. Auch wenn sie damit unter Gleichaltrigen als hoffnungslos altmodisch gilt und die einzige auf dem ganzen Schulhof ist, die keine Jeans besitzt, wie sie heute alle tragen. Das macht sie demütig, denn es lehrt sie jeden Tag auf Neue, dass sie anders ist, als all die Ungläubigen. Weil Gottes Weg ein schmaler Pfad ist, während der breite Weg der Anderen in die Verdammnis führt. 

Was natürlich erst recht auf die Ehefrauen zutrifft, die sich im fundamentalistischen Christlichen Umfeld bewegen. Auch sie sieht man ausnahmslos in einem Outfit, das ihre Weiblichkeit betont und ihre Demut unterstreicht. Denn sie sollen sich zwar weiblich kleiden, aber sie müssen auch sorgfältig darauf achten, dabei nicht aufreizend zu wirken und ihren Körper für jedermann sichtbar zur Schau zu stellen. Also ist ein züchtiger Auftritt gefragt, Röcke, die nicht zu kurz geschnitten sind und Kleider, die die Anatomie des damit bedeckten Körpers nur erahnen lassen. Darauf achten die Moralapostel in der Gemeinde mit Argusaugen und das ist auch immer wieder Gegenstand ihrer Predigten.

Wobei sich Ehemänner und Familienväter gerne mit den Patriarchen der alten Zeit vergleichen. Der Mann ist das Haupt seiner Frau, so steht es in der Bibel zu lesen. Sie ist verpflichtet, ihrem Mann tiefen Respekt und Gehorsam zu zollen und zwar „in allen Dingen“. Denn er ist die Krone der Schöpfung und sie lediglich seine Gehilfin. Das hat der Herr so bestimmt und das gilt somit als Zeichen seiner unermesslichen Weisheit. 

Wobei der Herr das christliche Familienoberhaupt natürlich nicht ohne die erforderlichen Machtmittel gelassen hat. Denn alle Menschen haben Evas Sünde geerbt und sind damit automatisch zu unvollkommenen Sündern gewordnen, die immer wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden müssen. Und wie der Viehhirte einen Stock hat, um den störrischen Tieren seiner Herde die Richtung zu weisen, so hat auch das Haupt der Familie das gottgegebene Recht, die Seinigen in Zucht und Ordnung zu halten.

Dass alle weiblichen Mitglieder des Hauses ein Kleid zu tragen haben, ist dabei nur von Vorteil. Bekanntlich neigen ja besonders junge Mädchen und frisch vermählte Ehefrauen dazu, über die Stränge zu schlagen und müssen daher von einem verantwortungsvollen Familienoberhaupt besonders häufig zurechtgewiesen werden. Einem jungen Mädchen muss er dafür nur das Kleid hochheben und das Höschen strammziehen, um lehrreiche Striemen auf seine Haut zu zeichnen. Eine weise Vorkehrung des Schöpfers, die jeder strenggläubige Vater zu schätzen weiß. Und auch eine Ehefrau ist mit wenigen Handgriffen bloßgelegt und damit bereit, von ihrem Haupt für ihre Unvollkommenheit gezüchtigt zu werden - oder seine männliche Lust zu befriedigen. 

Im amerikanischen Kulturraum kennt man dafür übrigens das Kürzel „CDD“. Es steht für „Christian Domestic Discipline“ und ist Thema zahlreicher Diskussionsforen. Hier tauschen sich vor allem die weiblichen Mitglieder der in der Neuen Welt besonders zahlreich vorhandenen christlich fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften aus. Sie reden von christlicher Kindererziehung, bei der die natürlich stets liebevoll angewandte Rute eine zentrale Rolle spielt. Und sie tauschen sich über die erzieherischen Maßnahmen aus, die ihre Ehemänner bei ihnen selbst anwenden. Denn die Frau ist um des Mannes willen da und der muss alles tun, um für eine demütige und unterwürfige christliche Ehefrau zu sorgen. 

Nein, diese Frauen reden nicht über häusliche Gewalt. Sie beklagen sich nicht darüber, wenn der Sohn oder die Tochter mal wieder für irgend ein Fehlverhalten mit dem gefürchteten Paddel gezüchtigt wurde. Auch sehen sie sich selbst nicht als „battered women“, wenn ihnen genau dasselbe widerfährt. Denn keine von ihnen ist jemals mit blutiger Nase und blauen Flecken am ganzen Körper in der Notaufnahme gelandet. Eine christliche Ehefrau wird schließlich nicht von einem gewalttätigen Ehemann geschlagen. Sie wird von ihrem Haupt gezüchtigt und das ist etwas völlig anderes.

Die Frau ist das schwache Geschlecht und bedarf der strengen Führung durch den Mann, ist die feste Überzeugung in diesen Kreisen und es wird ein gutes Dutzend Bibelstellen zitieren, um diese Erkenntnis zu untermauern. Doch ein christlicher Ehemann wird sie niemals Fausthieben traktieren. Er wird sie auf liebevolle Art zurechtweisen. Er wird mit ihr ins Schlafzimmer gehen und sie auffordern, den Körperteil freizulegen, den der Schöpfer ganz offensichtlich für die Bestrafung eines Weibes vorgesehen hat. Er wird ihr befehlen, die Position einzunehmen, die dafür am Besten geeignet ist. Er wird sie maßvoll, aber schmerzhaft bestrafen. Und nachdem Sie ihre Strafe erhalten hat, wird er ihr auf überzeugende Weise zeigen, dass die Sache damit gesühnt ist und er ihr vergeben hat. 

„Nach einer Zurechtweisung liebt mich mein Mann immer auf besonders intensive Weise,“ berichtete eine Forumsteilnehmerin. „Er schlägt mich nur mit der flachen Hand,“ ist eine andere dankbar und freut sich, dass dies in ihrer Ehe nur alle paar Wochen notwendig ist. Eine andere ist davon überzeugt, dass ihre Ehe nur deshalb so harmonisch ist, weil ihr der Herr einen Ehemann gegeben hat, der seine Aufgabe als Haupt seiner Frau ganz besonders ernst nimmt. „Mich über die Sessellehne zu beugen und meinen Rock hochzuraffen ist für mich ein Zeichen von Unterwerfung unter die göttliche Ordnung,“ ist eine tief gläubige Ehefrau überzeugt. „Ja, es tut höllisch weh, wenn er mich züchtigt, aber ich sehe es als eine wichtige Lehre in Sachen Demut.“ 

Wohlgemerkt, das sind Zitate aus einem Online-Forum. Wir bewegen uns also hier im Internet-Zeitalter und damit in einer Zeit, in der Emanzipation als Maß der Dinge gilt, Frauen Gleichberechtigung bis hin zur Quotenregelung fordern, die körperliche Züchtigung von Kindern schon lange verboten ist und seit einem halben Jahrhundert auch das Züchtigungsrecht des Mannes in keinem Gesetz mehr steht. 

Aber im weitaus größten Teil der Welt sieht die Realität völlig anders aus. Wo starke religiöse Überzeugungen im Spiel sind, hat offenbar ein uraltes Buch aus der Anfangszeit unserer Zeitrechnung noch immer mehr Bedeutung als jedes weltliche Gesetz. Das bekommt nicht nur die Muslima zu spüren, die sich noch immer dem Willen ihres Vaters zu beugen hat, bis der sie in die Hände eines Ehemannes übergeben hat. Das ist auch in den christlichen Kreisen nicht anders, in denen man es mit dem Glauben ganz besonders ernst nimmt.