Papierlos leben und arbeiten

Vom papierlosen Büro wird geredet, seit die ersten Computer auf den Schreibtischen gesichtet wurden. Genauso oft wurde aber auch immer wieder das Gegenteil behauptet. So soll zum Beispiel Heinrich von Pierer, einst Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, gesagt haben: "Das papierlose Büro ist genauso weit weg wie das papierlose Klo".

Das war zu einer Zeit, als HP immer billigere Drucker auf den Markt warf und das dafür benötigte Papier palettenweise zu den Unternehmen gekarrt wurde. Eine Zeit, als sich so mancher Zeitgenosse noch seine E-Mails ausdruckte, um sie an den Vorgang zu heften, der dann in einem der zahlreichen Ordner im Regal verschwand.Es war auch die Zeit, als mich der Chef einer großen Werbeagentur auf einen Schreibfehler aufmerksam machte und sagte: "Drucken Sie sich das nicht alles aus, um es noch einmal in Ruhe durchzulesen?"

Nein, das hatte ich nicht getan. Mir war es schon lästig, dass eben diese Agentur noch nicht mal eine E-Mail-Adresse hatte und ich meine Texte jedes Mal umständlich auf Diskette verschicken musste.

Mittlerweile habe ich kein Diskettenlaufwerk mehr. Erst kürzlich habe ich einen ganzen Karton mit Versandtaschen für Datenträger in den Container gestopft. Zusammen mit einem dicken Stapel alter Briefumschläge, der im Laufe der Jahre einfach nicht kleiner werden wollte. Ausdrucken tue ich eigentlich nur noch Rechnungen. Die werden auch noch immer so richtig mit Briefmarke drauf an den Kunden geschickt. Aber nur, weil der das so will.

Zum Briefkasten gehe ich heute meist nur noch einmal in der Woche - um ihn von den zahlreichen Anzeigenblättern zu befreien, mit denen er ständig zugestopft wird. Hin und wieder fische ich dazwischen auch einen Brief heraus. Auch der ist dann meist vom Finanzamt. Oder von irgend einer anderen Behörde, die mich nerven will.

Behörden scheinen überhaupt die Einzigen zu sein, die sich in den altvertrauten Papierbergen noch so richtig wohlfühlen. Es macht manchmal richtig Spaß, sie in einen nostalgischen Schriftwechsel zu verwickeln, der sich über Wochen hinzieht, obwohl man die Sache auch mit einem zehnminütigen Telefongespräch klären könnte.

Das papierlose Büro ist also angekommen und ich bin überzeugt, das das nicht nur bei mir der Fall ist.

Einen Drucker habe ich zwar noch. Aber ich habe zu einem Laserdrucker gewechselt, weil mir bei meinem Inkjet immer die Tinte eingetrocknet ist. Das Faxgerät ist irgendwann eingerostet und ich habe es sang und klanglos entsorgt. Das ist schon ein paar Jahre her, aber ich habe seine Abwesenheit nie vermisst. Dabei habe ich seinerzeit zweitausend Mark dafür ausgegeben, weil man seinerzeit als richtiger Freiberufler ganz einfach so ein Ding brauchte. Genauso wie das voluminöse Kopiergerät, das ganze Stapel an Papier geschluckt hat. Heute stecken beide Geräte irgendwo zwischen PC und Drucker und mein Büro sieht deutlich aufgeräumter aus, als es früher einmal war.

Heute kommen die Aufträge per eMail herein und der fertige Text geht auf demselben Weg an den Kunden. Früher habe ich vor allem vom Text für Prospekte, Kataloge und Anzeigen gelebt. Heute finden sich fast alle meine geistigen Ergüsse im Internet wieder. Als ich endlich mein erstes Buch fertig hatte, dachte ich zuerst daran, es so richtig auf Papier gedruckt und gebunden zu veröffentlichen. Doch auch hier hat mich die Zeit eingeholt und es wurde ein eBook daraus, das mir mehr Geld bringt, als ich es von einem Verlag je bekommen hätte.

Mein einst raumhohes und wandfüllendes Bücherregal ist nach drei Umzügen zu einem Sideboard geschrumpft und auch da haben die noch verbliebenen Bücher eigentlich nur noch dekorative Funktion. Bei allen anderen habe ich mir die Frage gestellt, ob ich sie jemals wieder lesen werde und habe die meisten davon entsorgt, anstatt schwere Umzugskisten damit zu füllen.

Ich selbst lese ja Bücher auch nur noch mit dem Tablet. Das ist nebenbei noch Heimkino, Webradio, Zeitungskiost und Briefkasten. Es hat sogar mein altes Notizbuch ersetzt, denn auch Termine und Adressen habe ich längst nicht mehr auf Papier. Und zur Bank gehen kann ich damit auch. Nur Geldscheine sind bisher noch nicht rausgekommen. Aber dieses Papier soll ja auch bald abgeschafft werden.

Ich weiß, dass Viele das anders sehen, aber ich trauere dem Papierzeitalter eigentlich nicht nach. Irgendwie ist doch alles viel schneller und unkomplizierter geworden.