So richtig frei sind eigentlich nur Freelancer

Wenn hier von Freelancern die Rede ist, dann sind die digitalen Nomaden gemeint, die lieber auf eigene Faust durchs Leben gehen, anstatt sich von Anderen gängeln zu lassen. Leute, die lieber freiberuflich arbeiten, anstatt sich von einem Unternehmen anheuern zu lassen, die lieber Kunden haben statt Arbeitgeber und Aufträge anstelle eines Arbeitsvertrages. Viele von ihnen gehen Berufen nach, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab.

Manche von ihnen arbeiten vom Home Office aus. Andere haben überhaupt kein Office und sind in einem der Coworking-Spaces zu Hause, die es mittlerweile in nahezu jeder größeren Stadt gibt. Dort gibt es einen Stuhl und einen Schreibtisch und der nächste Kaffeeautomat ist nur ein paar Schritte entfernt. Man trifft Gleichgesinnte, mit denen man plaudern kann, und nicht selten entstehen sogar komplette Teams, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Ansonsten wird jeder Ort kurzerhand zum Arbeitsplatz umfunktioniert, an dem man den Notebook aufstellen kann. Bei schönem Wetter kann das der Balkon oder die Terrasse sein. Aber auch eine ruhige Ecke im Cafè erfüllt ihren Zweck. Oder der extra dafür vorgesehene Tisch im ICE auf dem Weg von oder zum Kunden.

Kürzlich kam ich mit einer freien Grafikerin ins Gespräch, die gerade erst ihr Studium abgeschlossen hatte. Ihr Kommentar: "Ich habe doch nicht Kommunikationsdesign studiert, um in einer Werbeagentur zu arbeiten, die mir gerade soviel zahlt, dass ich davon leben kann. Als Freiberuflerin ist mein Einkommen zwar nicht regelmäßig. Aber für das Geld, was ich jetzt verdiene, müsste ich in einem Unternehmen schon ganz schön weit oben in der Hierarchei stehen."

Das ist ein Aspekt, der ein Leben als Freelancer attraktiv macht. Ist man gut in seinem Job - und das sollte man sein, um Erfolg zu haben - dann hat man die Chance, weit mehr zu verdienen als jeder Arbeitsvertrag hergibt. Denn immer mehr Unternehmen ziehen sich auf ihre Kernkompetenzen zurück und überlassen die peripheren Aufgaben externen Dienstleistern. Das sind die neuen Chancen für Freelancer in einer Arbeitswelt, die sich grundlegend verändert hat.

Natürlich sind das keine "sicheren" Jobs. Und es sind erst recht keine "geregelten" Tätigkeiten. Denn ein Freelancer muss flexibel sein. Er muss sich ständig auf neue Herausforderungen einstellen und anstelle von festen Arbeitszeiten gibt es bestenfalls Deadlines und die sind heilig, selbst wenn dafür ein Wochenende durchgearbeitet werden muss. Wobei so manche Tätigkeit als Freelancer weitaus sicherer ist als ein Job mit Arbeitsvertrag, festen Arbeitszeiten und pünktlich gezahltem Gehalt. Denn ein Arbeitnehmer hat letztendlich nur einen "Kunden", nämlich seinen Arbeitgeber. Ein Freelancer hingegen hat mehrere Kunden. Die erteilen zwar nicht regelmäßig Aufträge. Aber dafür ist es auch unwahrscheinlich, dass alle auf einmal wegbrechen und der Schreibtisch leer bleibt. Ein Angestellter hingegen lebt immer in einer Alles-oder-nichts-Situation. Ist der Job weg, muss er sich einen neuen suchen und unterliegt der Unlogik eines Arbeitsmarktes, der ihn als "unvermittelbar" betrachtet, sobald er ein gewisses Alter überschritten hat. Für einen Freelancer ist Alter kein Thema. Was zählt, sind Erfahrung, Können und Zuverlässigkeit.

Dazu kommt, dass einem Freelancer niemand vorschreibt, wann er zu arbeiten hat und wann er nach Hause gehen darf. Eine strikte Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit gibt es für ihn nicht. Aber wenn er sich den richtigen Beruf ausgesucht hat, ist das ohnehin kein Thema. Denn was man mit Begeisterung tut, das tut man nicht mit Blick auf die Uhr. Vor allem dann nicht, wenn der Erfolg auf dem eigenen Konto landet und nicht bei den Aktionären irgend eines Konzerns.

Bei einem Angestellten steht im Arbeitsvertrag, wie viele Tage im Jahr er frei nehmen kann. Meist ist es nicht mehr als ein Monat von zwölf. Doch über diese Freizeit kann er nicht frei verfügen, sondern muss sich vorher mit den Kollegen abstimmen. In vielen Firmen gibt es sogar eine "Urlaubsplanung" und der große Sommerurlaub muss schon im Januar genau festgelegt werden. Dafür läuft während des Urlaubs das Gehalt weiter und manchmal gibt es sogar zusätzlich Urlaubsgeld. Ein Freelancer kann im Prinzip so oft Urlaub machen, wie es ihm gefällt. In dieser Zeit verdient er allerdings auch nichts und Urlaubsgeld zahlt ihm auch niemand. Dafür hält einen digitalen Nomaden niemand davon ab, den Notebook mit ins Ferienhaus zu nehmen und zwischendurch ein paar Stunden zu arbeiten. Er könnte sogar den ganzen Sommer da verbringen, wo sich andere nur zwei, drei Wochen im Jahr erholen dürfen. JA, es gibt sogar Freelancer, die haben ihren gesamten Lebensmittelpunkt dahin verlegt, wo andere Urlaub machen. Denn, wie gesagt, ein Notebook lässt sich überall nutzen.

Ich selbst habe den größeren Teil meines Lebens als Freelancer gearbeitet. Gewiss, es gab auch mal einen gewaltigen Einbruch mit mehreren insolventen Kunden und Forderungsverlusten in 5-stelliger Höhe. Aber ganzheitlich gesehen habe ich den Schritt in die Freiberuflichkeit nie bereut. Meine Devidse lautete seinerzeit: Ich arbeite wenn es sein muss sieben Tage in der Woche. Aber fünfmal im Jahr mache ich Urlaub. Mein Sonntag war oftmals ein Mittwoch, weil es sich gerade so ergeben hatte. Shopping war ich immer dann, wenn die anderen arbeiten mussten und die Läden leer waren. So manches Projekt wurde im Café nebenan, im ICE auf dem Heimweg vom Kundentermin oder auch im Wohnmobil mit Blick aufs Meer erledigt. Arbeit und Freizeit gingen nahtlos ineinander über und ich hatte nie Probleme damit.

Für mich war das die Freiheit, die ich brauchte. Ich hätte es mir einfach nicht vorstellen können, mich jeden Morgen in den hektischen Berufsverkehr einzufädeln, um wie all die anderen armen Kerle irgend ein Bürogebäude anzusteuern Es erschien mir unvorstellbar, mir Zeit und Dauer meiner Mittagspause vorschreiben zu lassen. Und ich wollte immer eine Arbeit tun, die mir Spaß macht, die mich erfüllt und die meinen Fähigkeiten entspricht. Im Gegensatz zu meinem Nachbarn. Der ist Beamter und bis zu seinem Lebensende "abgesichert". Aber sein Job bedeutet ihm eigentlich nichts. Sein Leben beginnt erst nach Feierabend, wenn er seinen zahlreichen Hobbys nachgehen kann.