Arbeiten im Gemeinschaftsbüro

Die Arbeitswelt hat sich gravierend verändert und wird sich weiter verändern. Früher sprach man vom "sicheren Arbeitsplatz" und eine Karriere in einem namhaften Unternehmen galt für die Meisten als das wichtigste Ziel im Leben. Heute ist das bestenfalls noch Wunschdenken. Im Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft wurde die Verantwortung von Unternehmen für ihre Mitarbeiter weitgehend abgeschafft und der tolle Job von heute kann schon morgen mit dem Gang zur Arbeitsagentur enden. Dazu kommt, dass sich Unternehmen mehr und mehr auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und periphäre Aufgaben zunehmend auf externe Servicepartner auslagern. Nicht zu vergessen der Preisverfall auf dem Arbeitsmarkt, der dazu geführt hat, dass ein Angestellter heute eigentlich kaum mehr verdient, als er wieder ausgeben muss, um ein einigermaßen angenehmes Leben zu führen.

All diese Umstände haben dazu geführt, dass heute immer mehr Menschen als Freiberufler arbeiten, die sich früher einen Job mit regelmäßigem Gehalt gesucht hätten. Besonders unter den so genannten Knowledge Workers und den kreativen Berufen ist dieser Trend deutlich zu spüren. Besonders Berufseinsteiger sind nicht mehr gewillt, sich für ein oft nur bescheidenes Gehalt in irgend einem Unternehmen zu "engagieren" und fangen lieber gleich als Freelancer an. Es ist besser, zwanzig Kunden und ein unregelmäßiges Einkommen zu haben, als einen einzelnen Arbeitgeber, der einem bei der nächsten Umstrukturierung vor die Tür setzt.

Dazu passt die Aussage eines Texters, der für eine bekannte Agentur in Düsseldorf arbeitete: "Da gibt es ein paar Leute mit satten Gehältern und protzigen Firmenwagen. Die eigentliche kreative Leistung kommt aber von den Praktikanten, die von einem tollen Job träumen und bis dahin für ein Taschengeld arbeiten. Die wenigen fest angestellten Kreativen verdienen am unteren Ende und hängen sich ins Zeug, bis sie ausgebrannt sind und entsorgt werden." Auch er arbeitet heute als Freelancer. Seinen Arbeitsplatz hat er in einem Coworking Space, wo er auch auf andere Kreative trifft

Coworking Spaces sind das sichtbare Kennzeichen einer neuen Arbeitswelt. Im einfachsten Fall sind es große Räume mit vielen Schreibtischen, von denen man sich einen für Stunden, Tage oder überhaupt mieten kann. Die interessantere Variante sind richtige Communities, die Freiberuflern aller Sparten mehr als nur ein Arbeitsumfeld bieten.

Ich denke da zum Beispiel an das Cloudsters in Lübeck. Das von einem gemeinnützigen Verein getragene Projekt versteht sich als Teil einer vernetzten Stadt und will ein breites Spektrum unterschiedlicher Talente aus der Region zusammenführen, die sich nicht nur gegenseitig vernetzen, sondern auch integrierter Bestandteil der regionalen Wirtschaft und Gesellschaft sind. Bei Cloudsters setzt man nicht auf ein Geschäftsmodell, bei dem es einfach um die Vermietung von Arbeitsplätzen geht. Vielmehr versteht man sich als eine Community, die sich weitgehend selbst verwaltet und durch den Wegfall von Gewinnabsichten Corworking zu Kosten möglich macht, die für wirklich alle Freiberufler erschwinglich sind. In der einfachsten Variante genügt schon ein Förderbeitrag, um 8 Stunden am Tag im Coworking Space arbeiten zu können.

Ich bin davon überzeugt, dass das vernetzte Arbeiten von Freelancern besonders unter den Kreativen und den so genannten  Knowledge Workers die Zukunft bestimmen wird. Um es am Beispiel der Kommunikationsbranche zu illustrieren: Jedes Unternehmen muss kommunizieren und braucht dafür Menschen, die es dabei unterstützen. Menschen wie Texter, Grafiker, Journalisten, Webdesigner und Fotografen, die sich um die Inhalte der Unternehmenskommunikation kümmern. Menschen, die die daf+ür erforderlichen Medien gestalten. Und Menschen, die sich um das ganze technische Drumherum kümmern. Doch jede Kommunikationsaufgabe ist anders und erfordert das Zusammenspiel ganz bestimmter Talente.

Früher gab es dafür Werbeagenturen, die vor allem Image-Prospekte, Produktprospekte und Anzeigen gestalteten und davon nicht schlecht lebten. Sie stellten ihren Kunden nicht nur ihre kreativen Leistungen in Rechnung. Sie kassierten auch Provisionen von Verlagen und Druckereien. Einige von ihnen waren richtig berühmt und residierten in repräsentativen Büroräumen, denen man ansah, dass hier richtig Geld verdient wurde. Viele der großen gibt es heute noch, doch die Masse der kleinen Agenturen ist entweder verschwunden oder hat sich grundlegend verä#ndert.

Denn die Medienwelt hat sich verändert und die klassische Werbeagentur ist ein Geschäftsmodell von gestern. Es wird von demselben einfachen Grundsatz bestimmt, den man heute überall fidnet: hohe Gewinne durch niedrige Kosten. Was in der Praxis heißt, dass einige wenige kreative Köpfe gut bezahlt werden, während die Folgearbeiten von Praktikanten und anderen Niedriglöhnern erledigt wird. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ist es daher meist besser, auf ein Netzwerk aus Freiberuflern zu setzen. Da kommen immer genau die Leute an den Tisch, die für eine konkrete Kommunikationsaufgabe benötigt werden und der Kunde hat es mit echten Talenten zu tun, die sich tagtäglich auf dem freien Markt behaupten. Zum Beispiel mit dem einem Texter für die Inhalte, einem Mediendesigner für die Visualisierung, einem Fotografen für die Bilderwelt oder einem Webentwickler für die Website und den Webshop. Für diese wiederum ist Zusammenarbeit und Vernetzung das A und O des geschäftlichen Erfolgs. Und dafür arbeiten sie vermehrt nicht mehr zu Hause, sondern im Coworking Space Schreibtisch an Schreibtisch mit den anderen Kreativen, mit denen sie von Projekt zu Projekt unterschiedliche Teams bilden.