Weshalb ich heute auf Linux stehe
Ich bin ein Freund von Standards. Ohne weltweit anerkannte Standards gäbe es kein Internet, keine E-Mails, keine CDs und DVDs, keine Mobiltelefone und auch kein WLAN. Auch der Austausch von Dokumenten, Bildern oder Videos wäre eine ziemlich mühsame Sache. Standards entstehen durch internationale Gremien. Oder durch die Marktmacht von Unternehmen. So wurde zum Beispiel MS.DOS zum ersten einheitlichen Standard für PCs, weil seinerzeit jeder machte was IBM für richtig hielt. Später wurde daraus Windows, weil Microsoft es geschafft hat, praktisch jeden PC damit auszustatten. Parallel wurde Apple zum Standard unter den Kreativen, weil man damit am Besten Layouts erstellen und Bilder bearbeiten konnte.
Doch Standards, die von Unternehmen gesetzt werden, haben einen großen Nachteil. Wird ein Unternehmen zum Monopolisten in seinem Bereich, wird es versuchen, so viel wie möglich Kapital daraus zu schlagen. Es wird versuchen, seine Kunden abhängig zu machen und nach immer neuen Wegen suchen, um an ihnen zu verdienen. Das freut die Shareholder. Doch es ist zum Nachteil der Kunden.
Typisch dafür ist Apple mit Produkten, die man "jailbreaken" muss, um die Abhängigkeit vom angebissenen Apfel zu brechen. Und natürlich Microsoft, wo man sich beharrlich verweigert, auf standardisierte Dateiformate zu setzen, damit sich endlich ohne Probleme Texte, Tabellen und Präsentationen zwischen unterschiedlichen Computersystemen austauschen lassen. Microsoft weigert sich seit Jahren, das im Textbereich standardisierte Austauschformat ODF zu unterstützen. Nicht zu vergessen Adobe mit seiner Entscheidung, für seine Produkte künftig eine monatliche Miete zu verlangen, weil sich mittlerweile mit Updates nichts mehr verdienen lässt.
Im Bereich der industriellen Automation lassen sich das die Kunden schon lange nicht mehr gefallen. Wo es um die Steuerung von Maschinen, Prozessanlagen und Fertigungsstraßen geht, will sich niemand an Lösungen binden, die nur mit sich selbst kompatibel sind. Statt dessen verlangt man "offene Standards" und erwartet, dass neue Technologien problemlos mit der bestehenden Systemumgebung funktionieren. Das hat selbst Siemens, der Platzhirsch auf diesem Gebiet, gelernt.
Ich reagiere empfindlich, wenn ich merke, dass mich ein Unternehmen ausnehmen will. Deshalb ist mir Apple unsympatisch, auch wenn seine Produkte verführerisch sind. Und ich habe Microsoft den Rücken gekehrt, als es mir zu viel wurde, immer mehr Einschränkungen hinnehmen zu müssen, nur damit ein Unternehmen problemlos an mir verdienen kann.
Mein Schlüsselerlebnis war der Kauf eines neuen Notebooks vor ein paar Jahren. Er kam - natürlich - mit Windows und ich war neugierig auf das damals neue Vista. Doch die Vorfreude wurde schnell zum Frust. Das begann schon damit, dass ich Vista online registrieren musste. Und dass ich es nicht einfach auf meinen beiden anderen Rechnern installieren konnte, sondern gezwungen wurde, dafür jeweils eine eigene "Lizenz" zu kaufen. Dasselbe traf auf die neueste Version von MS Office zu. Acrobat ließ sich gar nicht erst installieren und ist sollte gezwungen werden, eine neue Version zu kaufen, die mit Vista kompatibel ist. Ich fand das alles nervig, nein, eigenztlich unverschämt. Also habe ich kurzerhand mein altes Windows XP wieder aufgespielt und weitergearbeitet wie bisher.
Rückblickend kann ich sagen, dass mich Windows eigentlich eine Unmenge an Zeit gekostet hat, die ich lieber mit angenehmeren Dingen verbracht hätte. Irgendwo in meinem bescheidenen Home Office, in dem sich nur drei Computer verstehen mussten, funktionierte eigentlich immer irgend etwas nicht. Die Problemlösung dauerte oft Tage. Außerdem ist es nur auf Umwegen möglich, das Betriebssystem mitsamt der installierten Programme zu sichern, um beim Austausch einer Festplatte schnell wieder die gewohnte Arbeitsumgebung herstellen zu können. Die Übertragung auf einen neuen Rechner ist sogar völlig unmöglich, was viele Stunden erfordert, um alles wieder neu zu installieren und zu konfigurieren. Und dann noch die unzähligen Aktivierungscodes, die man nicht verlieren darf, um die teuer erworbene Software überhaupt nutzen zu können. Von der unsäglichen Virenplage ganz zu schweigen. Irgendwann habe ich sogar den Klassiker MS Office von der Platte verbannt und durch die Open Source-Alternative Libre Office ersetzt. Es ist mir unbegreiflich, weshalb so eine über viele Jahre herangereifte Standardlösung immer noch Abstürze produzieren muss und mit langen Dokumenten einfach nicht klar kommt.
Vor zwei Jahren kaufte ich mir wieder einen neuen Notebook - einen schicken DELL aus der Latitude-Serie mit Aluminium-Magnesium-Gehäuse und der besten Tastatur, die ich je unter den Fingern hatte. Wie es der Zufall wollte, fiel mir zur selben Zeit eine CD mit Ubuntu in die Hände. Das ist eine Distribution von Linux, die sich großer Beliebtheit erfreut. Da ich sowieso die eingebaute SSD meines Notebooks durch eine größere austauschen wollte, legte ich die alte SSD samt vorinstalliertem Windows 7 in die Schublade und spielte - einfach mal so - Linux auf.
Das Ganze entwickelte sich zum Einstieg in eine völlig neue Computerwelt. Linux zu installieren war ein Klacks. Es mussten nur ein paar Angaben gemacht werden und 15 Minuten später erschien der Desktop auf dem Display. Selbst die Internet-Verbindung über das WLAN funktionierte auf Anhieb. Und alle entscheidenden Programme waren auch gleich mit dabei. Zum Beispiel das komplette Office-Paket Libre Office. Ich habe ein paar Wochen damit verbracht, alles auszuprobieren und die Unterschiede zum vertrauten Windows zu verstehen. Schon nach kurzer Zeit war es so, dass meine Windows-Rechner eigentlich kaum noch eingeschaltet wurden, während ich meine tägliche Arbeit komplett mit Linux erledigte. Am Ende habe ich meine Linux-Konfiguration ganz einfach auf alle drei Rechner kopiert und die ganze nervige Windows-Welt vergessen.
Heute arbeite ich mit Kubuntu mit der KDE Desktop-Oberfläche, nachdem ich mehrere andere Desktop-Oberflächen ausprobiert habe. Einen Virenscanner brauche ich nicht mehr. Linux ist zwar nicht immun gegen Viren, aber zumindest kann keiner einfach irgend ein Programm auf meinem Rechner installieren, ohne dass ich mein Passwort dafür eingegeben habe. Und was die Usability angeht: Vor ein paar Wochen bat mich eine Freundin, den WLAN-Zugang für Ihr nagelneues MacBook einzurichten. Ich hatte noch nie zuvor an einem Mac gearbeitet und stellte mich auf eine zeitaufwendige Prozedur ein. Doch als ich das schicke Gerät einschaltete, fühlte ich mich fast wie zu Hause. Selbst die Einstellung für das WLAN waren an derselben Stelle wie bei meinem Kubuntu und ich wusste, dass man sich nicht unter das Diktat eines Herstellers geben muss, um mit dem Notebook einfach nur arbeiten zu können.