Automobile: Schwebender Abgang. Endes eines Mythos.
Citroên war immer eine Marke, die man liebte oder einfach links liegen ließ. Doch Citroên hat Automobilgeschichte geschrieben. Vor allem, als ein Auto vorgestellt wurde, dass man schlicht und einfach als die Göttliche bezeichnete. Es fuhr nicht über die Straße. Es schwebte. Es konnte sogar mit drei Rädern noch fahren, ohne ins Gelände abzudriften. Das Geheimnis dahinter ist eine hydropneumatische Federung, die nur die Komfortbewussten unter den Autofahrern zu schätzen wissen. Und die leider 2017 ihr Lebensende erreichte.
Mein allererstes Auto war eine Ente. Quietschgelb und mit satten 28 PS. Sie hat mich ein ganzes Jahr lang begleitet – bis ich einen Unfall hatte und merkte, wie gefährlich man in diesem Minimum an Auto lebt.
Doch von Citroên konnte ich irgendwie nicht lassen. Citroên war für mich der Inbegriff von Individualität. Das war in der Zeit, als Mercedes noch wie Panzer aussahen, Ford noch den Taunus baute und VW meinte, ein Motor gehört einfach ins Heck. Also wurde mein nächstes Auto – Sie haben es erraten – eine DS. Man sagt übrigens „eine“, denn Autos sind in Frankreich weiblich und die Göttin unter den Autos sowieso.
Ich habe sie geliebt. Ihre überlegene Art, Schlaglöcher und Kopfsteinpflaster einfach wegzuschlucken. Ihr gelassenes Fahrverhalten, das sich automatisch auch auf den Fahrer übertrug. Ja, das war genau meine Art der Fortbewegung. Entspannt mit einer Hand im Lenkrad. Abgekoppelt von der rauen Straßenwelt. Fernab von der Normalität all der anderen Autos, die im Vergleich zur DS ganz einfach altmodisch aussahen. Und die sich fuhren wie die Postkutschen mit ihren Stoßdämpfern und Stahlfedern.
Doch unsere Beziehung hatte ihre Tücken. Denn die Göttin war launisch. Nicht nur, weil sie schon nach einem Jahr Rost zeigte. Auch weil sie ständig irgendwelche Geräusche entwickelte, die Unheil ankündigten und unweigerlich zur nächsten Werkstatt führten. Nein, zuverlässig war die Göttin nicht. Ich habe im Gespräch mit dem Werkstattmeister meines Vertrauens Teile eines Autos kennengelernt, von denen wusste ich gar nicht, dass es sie gibt und dass sie kaputt gehen konnten.
Irgendwann nutzte ich jeden Werkstattaufenthalt dazu, mich nach Alternativen umzusehen. Beim VW-Händler habe ich mich mit einem Gefühl der Indifferenz verabschiedet. Nein, ich wollte einfach kein Auto, das an jeder Straßenecke stand. Die Fords sahen irgendwie nach geschrumpften Straßenkreuzern aus. Bei Opel reichte ein Blick ins Schaufenster. Höchstens ein Renault wäre in Frage gekommen. Doch am Ende schwebte ich wieder wie ein König mit meiner DS davon und war irgendwie ganz glücklich. Bis zur nächsten Reparatur.
Irgendwann war ich am Ende meiner finanziellen Möglichkeiten und kaufte mir einen Japaner. Es vergingen Jahrzehnte mit den unterschiedlichsten Marken und am Ende stand er wieder vor mir, der Doppelwinkel. Von vorne sah er, na ja, nicht gerade aufregend aus. Am Heck prangten die Buchstaben C5 und es war ein Kombi mit allem, was einen Kombi eben ausmacht. Was mich aber vor allem anzog, war die gute alte hydropneumatische Federung.
Da war es wieder, dieses unvergleichliche Schweben. Und das aufgepeppt mit allerlei Elektronik. In der Kurve verhärtete sich automatisch die Federung der äußeren Räder. Auf der Autobahn senkte sich die gesamte Karosserie aerodynamisch ab. Auf Schotter wurde auf mehr Bodenfreiheit umgeschaltet und mit voll beladenem Heck pumpten sich die hinteren Federn soweit auf, dass immer alles im Lot war.
Citroên ist seitdem zunehmend attraktiver geworden. Die DS-Reihe (mit der man wieder an den alten Ruf anknüpfen wollte) hoben sich wohltuend vom üblichen Standard ab. Der C4 Picasso hatte schon vor der Jahrtausendwende einen voll digitalen Tacho inklusive Navi (was Mercedes heute als große Innovation verkauft und damit nach wie vor die altmodischen Rundinstrumente simuliert). Und der DS 5 hatte echt das Zeug, mich zu unvernünftigen Kaufentscheidungen hinzureißen.
Wenn, ja wenn da nicht die Federung gewesen wäre. Citroên war nämlich irgendwie zur irrigen Meinung gelangt, dass der Markt nach knackig sportlichen Autos verlangte. Also hatte der DS 5 („die DS“ möchte ich hier eigentlich nicht mehr sagen) ein ganz herkömmliches Fahrwerk mit einer Federung, die eigentlich keine war. Nein, das war zwar die richtige Marke, aber nicht das richtige Auto. Zumindest für mich.
Also tat ich etwas, was ich schon lseit Jahrzehnten nicht mehr getan hatte: ich kaufte mir einen Gebrauchtwagen. Genauer gesagt einen Vorführwagen. Einen der letzten C5 seiner Art mit der sanften Schwebefederung. Citroên hatte nämlich beschlossen, das gute alte Markenkennzeichen aufzugeben und die Hydropneumatik ins Museum zu schicken.
Ich werde sie noch eine Weile genießen und lässig lächelnd auf all die BMWs und Audis herabsehen, die sich verzweifelt bemühen aggressiv und sportlich zu wirken, in Wirklichkeit aber einfach nur unbequem sind.