Wenn Kulturen aufeinander prallen
Eigentlich hat er mir leid getan. Ein japanischer Manager war von einem kalifornischen Gericht zu einer unvorstellbaren Geldsumme verurteilt worden, weil ... ja weil er seier Sekretärin an den Po gefasst hatte. Sie wäre eine gute Sekretärin, gab der Mann zu Protokoll. Sie hätte ihre Arbeit stets zu seiner Zufriedenheit erledigt. Da hätte er eben seinen Arm um sie gelegt, um ihr zu zeigen, dass er sie mochte und ihre Arbeit schätzte.
Der Mann verstand die Welt nicht mehr, als er das Urteil hörte. Zu Hause in Japan hätte sich die Sekretärin über eine solche Anerkennung ihrer Arbeit gefreut, erklärte er später in einem Interview. Eine japanische Sekretärin gilt als die engste Vertraute ihres Chefs. Normalerweise wählt er sie höchstpersönlich unter der Vielzahl der Bewerberinnen aus und es ist ihr klar, dass sie in jeder Hinsicht für ihn da zu sein hat. Nicht selten ist sie es, die die Geschenke aussucht, mit der er seine Ehefrau überrascht. Sie begleitet ihn auf seinen Geschäftsreisen. Und sie würde nie das Büro verlassen, solange er noch an seinem Schreibtisch sitzt und vielleicht ihre Unterstützung benötigen könnte.
Wenn man tagtäglich so eng zusammmenarbeitet, entsteht natürlich auch ein besonders enges persönliches Verhältnis zwischen Chef und Sekretärin, so der Manager, der für einen japanischen Autokonzern in Kalifornien arbeitet. Und weil ein Chef ein Mann ist und eine Sekretärin eine Frau, wird es als völlig natürlich angesehen, wenn er ihr seine Wertschätzung zeigt. Nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als Frau. Ihr sanft über den Po zu streicheln, oder sie gar fest an sich zu drücken, wird daher nicht als Belästigung empfunden, sondern als ein Ausdruck der Anerkennung und Zeichen seiner Zufriedenheit. Eine japanische Sekretärin hätte dabei lediglich freundlich gelächelt und wäre an diesem Abend besonders stolz und zufrieden nach Hause gegangen.
Um das zu verstehen, muss man die japanische Gesellschaft verstehen. Auch das moderne Japan ist noch immer von den uralten Philosophien des Zen-Buddhismus geprägt. Und dazu gehört zum Beispiel, dass jeder ältere Mensch, jeder Lehrer, jeder Ausbilder, jeder Vorgesetzte und letztendlich auch jeder Ehemann und Hausherr als Meister angesehen wird. Als Meister hat er einen höheren Rang als seine Schüler oder Untergebenen. Er hat die Aufgabe, die ihm anvertrauten mit der nötigen Strenge zu führen und hat das Recht, von ihnen respektiert und verehrt zu werden.
Das beginnt bereits in der Schule. Japanische Lehrer legen großen Wert darauf, stets korrekt gekleidet zu sein und grundsätzlich nur mit Anzug und Krawatte vor ihre Schüler zu treten. Daran erkennt man sie auf jedem Schulhof, wo sie sich deutlich von der Masse der in einer einheitlichen Schuluniform gekleideten Schüler und Schülerinnen abheben. Doch nicht nur das. Als Zeichen seiner Autorität trägt jeder japanische Lehrer stets das an dortigen Schulen gebräuchliche Züchtigungsinstrument bei sich: ein dünnes flaches Brett aus leichtem Abachi-Holz, das an einem Ende mit einem eingearbeiteten Griff versehen ist. Das andere Ende ist für die Kehrseiten widerspenstiger Schüler und Schülerinnen gedacht, wo es eine recht schmerzhafte Wirkung entfaltet, ohne anhaltende Spuren zu hinterlassen.
Eine derart auf Disziplin gepolte Gesellschaft erzeugt natürlich Menschen, die es gewohnt sind, sich unterzuordnen und in strengen Hierarchien zu denken. Während die Wirtschaft der westlichen Welt mit alternativen Führungsmodellen experimentiert, ist daher in japanischen Unternehmen noch immer die aus dem Militär entlehnte Befehlskette die Regel. Dabei erscheint es geraderzu als natürlich, dass sich der Chef ein paar mehr Rechte herausnimmt als seine Untergebenen und eine Sekretärin nicht nur als Mitarbeiterin gesehen wird, sondern als eine Art persönliche Dienerin, die ihrem Vorgesetzten in jeder Hinsicht zur Seite steht.
Diese Denke ist natürlich eng mit dem japanischen Frauenbild verknüpft. Und das entspricht in etwa dem Denken, wie es in Deutschland noch in der Nachkriergszeit vorherrschte. Kaum jemand ist nämlich bewusst, dass in deutschen Familien noch bis in die 50er Jahre hinein der Begriff elterliche Gewalt im Gesetzbuch stand. Auch das Züchtigungsrecht des Mannes wurde erst im zweiten Jahrzehnt nach dem Krieg abgeschafft. Genauso wie sein Recht, darüber zu bestimmen, ob seine Frau arbeiten gehen oder besser zu Hause bleiben solle.
Vor einigen Jahren macht eine Nachricht die Runde durch die westliche Medienwelt, nach der ein hochrangiger japanischer Politiker zugegeben hat, dass er zu Hause ganz selbstverständlich seine Frau schlage. In Japan stand dazu kein Wort in der Zeitung. Weshalb auch. Schließlich sah das die Mehrheit der Japaner als völlig normal an. Er war schließ0lich ihr Mann und damit ihr Herr. Und als solcher war er geradezu dazu verpflichtet, sie zurechtzuiweisen, wenn Anlass dazu bestand.
Was man in einem Teil der Welt so sieht, kann eben anderswo völlig anders aussehen.