Schönheit: Scham war gestern, das Haar muss weg
Vor kurzem kam ich mal wieder mit einer alten Freundin ins Gespräch. Wir kennen uns schon lange und können so ziemlich über alles reden. In diesem Fall ging es um Dating-Portale im Internet und sie berichtete mir über ihre Erfahrungen mit den Männern, die sie auf diesem Weg kennengelernt hat. Was sie bemerkenswert fand: Nahezu jeder fragte sie irgendwann im Laufe der ersten Begegnung, ob sie „rasiert“ sei. Dass unter ihren Achselhöhlen keine Haarbüschel sprießen, konnte man sehen. Genauso wie die Tatsache, dass sie nicht mit behaarten Beinen durch die Gegend lief. Gemeint war also etwas anderes und das verwunderte sie.
Klar hatte sie schon von Waxing gehört und wusste, dass sich nicht wenige Frauen dieser recht schmerzhaften Prozedur unterziehen, um möglichst dauerhaft frei von unerwünschtem Haarwuchs zu sein. An den Beinen natürlich, unter den Achseln sowieso, aber auch rund um die Muschi und zwischen den Pobacken. Die Frau von heute trägt ohne. Und das meist nicht, weil sie es so will, sondern weil er darauf besteht.
Der blanke Look gehört mittlerweile offenbar zum Schönheitsideal. Aber das war durchaus nicht immer so. Als ich vor ein paar Monaten den Nachlass meines verstorbenen Vaters sichtete, fielen mir auch ein paar Pornohefte in die Hände. Na ja, nach heutigen Maßstäben waren es natürlich keine richtigen Pornos. Sex wurde da jedenfalls nicht gezeigt. Und formatfüllende Nahaufnahmen gab es auch keine. Eigentlich handelte es sich einfach nur um die Darstellung nackter Menschen und auch die posierten meist so, dass eigentlich nichts zu sehen war. Eine Muschi schon gar nicht, denn so etwas versteckte sich in den 60er Jahren grundsätzlich unter dichtem Haarwuchs.
Der galt offensichtlich als naturgegeben und wurde von niemand angetastet. Ganz gleich, ob es sich nur um ein dezentes Dreieck handelte oder um einen ausgewachsenen Teppich, der den gesamten Schamhügel unter sich begrub. Die wild sprießenden Haare hießen schließlich nicht ohne Grund Schamhaar. Sie hielten auf dezente Weise verborgen, was eine anständige Frau noch nicht einmal beim Namen nennen würde. Nur kurz vor einer Geburt wurde das Zeug abrasiert. Aus rein praktischen Gründen.
So mancher Mann aus der Generation vor uns hat ein ganzes Leben mit seiner Frau verbracht, ohne jemals zu erfahren, wie sie wirklich aussieht. Sein Penis tauchte regelmäßig in unbekanntes Terrain, wenn er den Drang dazu verspürte. Seine Augen hatten nie das Dickicht durchdrungen. Und seine Zunge, Pfui Teufel, so etwas macht ein anständiger Mann nicht. Und eine anständige Frau lässt es nicht zu. Besonders in religiösen Kreisen wusste man, was sich gehört und was nicht. Und damals war so gut wie jeder irgendwie religiös.
Damals – und das war bis in die 80er Jahre so – waren die Teenies auch noch richtig stolz drauf, wenn ihnen der erste zarte Flaum zwischen den Beinen wuchs. Schließlich war das neben dem unübersehbar größer werdenden Busen ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie als erwachsen galten. Das bezeugte auch die monatliche Blutung und das plötzliche Interesse an Jungen.
Im Grunde genommen ist das auch heute noch so. Jedes Mädchen, das die Sandkastenzeit hinter sich hat, will möglichst schnell groß werden. Groß wie die Erwachsenen, die alles dürfen. Spätestens, wenn sie die Puppe zur Seite legt und die ersten Liebesromane liest, ist es passiert. Der Kopf stellt sich auf Frau ein und der Körper tut das Seinige. Nur dass die Teenies von heute nicht mehr erschrocken zu Mutter laufen, wenn sich die erste Blutung zeigt. Sie wissen nämlich schon seit der Grundschule, was das bedeutet. Und sobald sie einen BH tragen, haben auch die ganz große Liebe erlebt – auf die dann noch viele weitere folgen werden.
Irgendwann will er sie küssen. Das macht man einfach so. Das wird schließlich in jeder Nachmittags-Soap gezeigt. Und es dauert auch nicht lange, bis er zudringlich wird, seine Hand unter ihr Höschen schieben oder ihre Jeans aufknöpfen will. Das ist dann der Augenblick, in dem sie sich entscheiden muss: Will ich Mädchen bleiben oder will ich endlich zur Frau werden.
Doch da ist noch etwas. Bisher war sie ja stolz auf ihr Schamhaar, auch wenn sie es vor allen anderen verborgen hielt. Doch eine richtige Frau sollte da unten eigentlich ohne sein. Das sieht man schließlich in jedem Porno und das wissen auch die Jungs. Also kommt über kurz oder lang der Ladyshaver zum Einsatz und das blonde, braune, rote oder schwarze Haar wird kurzerhand abrasiert. Sie braucht es nicht mehr. Wer mit einem Jungen schlafen will, muss einfach so aussehen, wie es erwartet wird.
Denn Jungs wissen heute schon mit Zwölf, wie ein Mädchen „da unten“ aussieht. Spätestens mit Sechzehn tragen sie einschlägige Videoclips auf ihrem Handy mit sich herum und wissen genau, wie „es“ geht. Die Zeit der „schmutzigen“ Hefte, die man unter der Ladentheke handelte, ist ohnehin vorbei. Selbst die Pornoshops verschwinden langsam aber sicher. Dafür ist heute jeder online und Papas Kindersicherung knackt die Computergeneration mit links.
Nun haben Pornos natürlich nur wenig mit der gelebten Wirklichkeit zu tun. Pornos sollen nicht unterhalten. Sie haben nur eine einzige Funktion: sie sollen geil machen. Und dafür müssen die Darsteller eben Posen einnehmen, die der Kamera einen möglichst guten ungehinderten Blick ermöglichen. Posen, bei denen der Realomann spätestens nach zehn Minuten einen Krampf im Bein hat. Wenn er überhaupt so lange durchhält. Und weil Pornoseher vor allem Männer sind, kommt es natürlich auf eine möglichst detaillierte Wiedergabe der weiblichen Anatomie an. Ein Monsterpimmel, der irgendwo im Gebüsch verschwindet, ist da wenig gefragt. Der Zuschauer will sehen, was es zu sehen gibt und dafür müssen die Haare weg.
Was weitreichende Folgen hat. Denn besonders in dem Teil der Welt, in dem Porno irgendwie zum Alltag gehört, laufen mittlerweile nicht nur Teenies herum, die genau zu wissen glauben, wie ein Mädchen auszusehen hat. Auch die Studenten, Kneipenbesucher und Discogänger haben schon tausende von Pornos gesehen, in denen Haarwuchs bei Frauen bestenfalls auf dem Kopf stattfindet. Ihr Schönheitsideal ist also fest geprägt und wenn das nächste Date erfolgreich ist und sie mit ihr in den Federn landen, haben sie ganz konkrete Erwartungen. Denn genauso, wie sie heute ganz selbstverständlich ihren Mund für das benutzt, was früher als Sodomie verteufelt wurde, dringt er mit seiner Zunge in Regionen vor, für die sein Opa noch zur Beichte gegangen wäre. Und dabei möchte er schließlich keine Haare zwischen den Zähnen haben.