eBooks: Papier ist doch irgendwie von gestern
Wenn man es einmal völlig nüchtern betrachtet, sind Bücher nichts anderes als Datenträger. Sie enthalten Buchstaben, die vom Leser entschlüsselt und als Wörter und Sätze wahrgenommen werden. Doch diese Form der Datenspeicherung ist doch ziemlich in die Jahre gekommen. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass selbst ein dicker Wälzer mit vielen hundert Seiten eine Datenmenge enthält, bei der Computerleute bestenfalls an Kilobyte denken.
Bei digitalen Speichermedien ist mittlerweile nur noch von Gigabyte die Rede und eine einzige MicroSD-Karte kann so viele Bücher aufnehmen, dass man ein ganzes Leben brauchen würde, um sie alle zu lesen. Dabei ist das Teil kleiner als ein Fingernagel und macht aus jedem besseren Smartphone ein komplettes Mediacenter, das Musik zum Hören, Filme zum Sehen und eben Bücher zum Lesen bereithält.
Das ist irgendwie so als würde man ein ganzes Bücherregal in die Tasche stecken und die aktuellsten Musikalben und Filme gleich mit dazu.
Ein richtiges Buch ist doch irgendwie sinnlicher
Ja aber, höre ich jetzt schon die Bücher-Liebhaber sagen. Ein „richtiges“ Buch zu lesen ist doch irgendwie anders. Irgendwie sinnlicher. Denn irgendwie ist es etwas ganz Besonderes, jede Seite mit der Hand umzublättern und dann der Geruch von Papier und Farbe. So etwas kann ein eBook einfach nicht bieten.
Papier ist im Prinzip eine Mischung aus Zellulose und Leim und riecht irgendwie – chemisch. Bei der darauf gedruckten Farbe verhält es sich nicht viel anders. Auch das ist reine Chemie, die nicht wirklich angenehme Reize auslösen kann. Aber das nur am Rande. Was das Blättern angeht, kann man geteilter Meinung sein. Aber als sinnliche Erfahrung kann es durchaus durchgehen.
Josephine Mutzenbacher fand ich in einem Antiquariat. Damals war ich um die sechzehn und „erotische Literatur“ galt bei uns zu Hause als etwas, mit dem man sich besser nicht erwischen lässt. Also habe ich das Buch heimlich unter der Bettdecke gelesen. Im Schein der Taschenlampe. Das war nicht nur ziemlich unbequem. Es war auch ganz schön anstrengend und mehr als ein paar Seiten habe ich an einem Abend nicht geschafft.
Alles eine Frage des Lichts
Womit wir bei einem weiteren Nachteil des klassischen Buches wären. Es braucht Licht, um gelesen werden zu können. Externes Licht. Entweder Tageslicht oder Licht von einer Glühbirne, Energiesparlampe, LED-Leuchte oder was immer. Ein Buch liest man nämlich mit Auflicht und dessen Qualität entscheidet darüber, ob sich auf Dauer Lesevergnügen oder eher Müdigkeit einstellt. Denn Auflicht ist selten ideal.
In der prallen Sonne blendet das Papier, so dass sich der Leser schnell in den Schatten zurückzieht. Ideal ist ein bedeckter Himmel, aber zu bedeckt darf er auch nicht sein, denn dann ist es wieder zu dunkel und der entscheidende Kontrast zwischen Papier und Druckerfarbe lässt nach. In der Dämmerung muss man das Buch ohnehin zur Seite legen.
Aber auch Kunstlicht ist alles andere als einfach. Es sollte nicht von einer Energiesparlampe oder einer gedimmten LED-Leuchte stammen. Diese Lichtquellen haben nämlich ein unmerkliches Flimmern, das auf Dauer die Augen ermüdet. Es sollte hell genug sein um genügend Kontrast zu erzeugen, aber nicht zu hell um nicht zu blenden. Und es sollte eine angenehme Farbtemperatur haben. Voraussetzungen, die man sich zu Hause ganz gut schaffen kann. Nicht aber im Zug, im Flugzeug oder im Hotel.
Ja, ich weiß, dafür braucht ein Buch keinen Akku, den man immer wieder aufladen muss. Es braucht auch keine Technik, die ihren Geist aufgeben kann. Man nimmt es einfach mit und kann es überall lesen.
Immer dabei, überall zur Hand?
Stimmt. Ein Buch nimmt man einfach mit. Aber selten mehr als eines, weil man sich ja nicht abschleppen will. Und meist nur dann, wenn man davon ausgehen kann, Zeit zum Lesen zu haben. Auf Reisen zum Beispiel, im Urlaub oder bei der täglichen S-Bahn-Fahrt zum Arbeitsplatz. Ich kenne niemand, der „einfach so“ immer ein Buch dabei hat, um darin zu lesen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.
Aber ich kenne Millionen von Menschen, die ständig in ihr Smartphone starren und irgend etwas lesen. Beim Friseur, in der Warteschlange, in der U-Bahn, überall wo es Sinn macht, die Zeit mit irgend etwas Nützlichen oder zumindest Unterhaltsamen zu verbringen. Mit dem Lesen eines Buches zum Beispiel.
Der Trend ist eindeutig
In den USA werden mittlerweile gut 20% aller Bücher als eBooks gekauft. In Deutschland ist es noch eine einstellige Prozentzahl. Das behauptet zumindest der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der jedes Jahr eine Studie durchführen lässt, daraus aber immer nur einzelne Ergebnisse veröffentlicht. Immerhin hat er 2017 durchblicken lassen, dass eBook-Käufer zu den besonders eifrigen Lesern zählen, die weit mehr Bücher konsumieren als der durchschnittliche Buchkäufer.
Anders gesagt: wer viel liest und mitten im Leben steht, tendiert zunehmend zum elektronischen Buch. Wer Muße zum Lesen hat und die altvertraute Haptik eines gedruckten Buches schätzt, greift eben nach wie vor zum Papier. Da kann sich Amazon noch so sehr anstrengen, seinen Kindle unters Volk zu bringen.
Dass das klassische Buch an Bedeutung verliert, kann man übrigens auch an völlig anderer Stelle sehen. Zum Beispiel im Möbelhaus. Früher standen da die großen Regalwände, die der Bildungsbürger gerne gekauft hat, um seine gedruckten Schätze zu präsentieren. Die Gäste standen dann davor und informierten sich, was denn die Gastgeber so alles lesen. Wobei ich den Verdacht nicht loswerde, dass so manches Buch allein aus diesem Grund seinen Weg ins Regal fand.
Heute weiß jeder Möbelfabrikant, dass Platz für Bücher kein Thema mehr ist. Selbst an die noch nicht einmal so alte CD muss heute niemand mehr denken. Was man digitalisieren kann, hat sich eben mittlerweile von der Materie gelöst und kann als MP3-, MP4-, PDF-, mobi- oder epub-Datei ganz einfach aus dem Netz geladen werden. Speicherort ist dann einfach eine kleine NAS-Festplatte, die irgendwo im Schrank steht. Oder das Handy, das Tablet oder der eBook-Reader, wenn man den Content unterwegs nutzen will.
Bei Musik und Filmen ist das längst Realität. CD-Shops sind weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden. Die Videotheken sowieso. Und auch die wenigen verbliebenen Buchläden gehören zu zwei, drei großen Ketten. Der Rest hat aufgegeben, denn vom Bücherverkauf lässt es sich heute kauf noch leben. Nicht weil immer weniger Leute Bücher lesen. Sondern weil immer mehr von ihnen dafür kein Papier mehr brauchen.