Lebenslinien: Sturm und Drangzeit
Sex ist nicht einfach Privatsache und die Beziehungen zwischen Mann und Frau gehören genau geregelt. Das denkt man zumindest in Kirchenkreisen und verweist auf ein zweitausend Jahre altes Buch, in dem stehen soll, was moralisch ist und was nicht und dass Sex erst erlaubt ist, wenn sich Zwei das ewige Jawort gegeben haben. Doch seit den 60er Jahren nimmt das eigentlich nur noch eine Minderheit ernst. Denn seit Woodstock und Flower Power, vor allem aber seit Erfindung der Pille redet keiner mehr darüber, wer wann mit wem ins Bett darf.
„Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment“ lautete die Losung der 68er Studenten. Sie gründeten Kommunen, um die praktischen Rahmenbedingungen für den zeitgeistigen Kreuz- und Quer-Sex zu schaffen. Die Frauen zogen ihren BH aus, was allerdings nur für die kleinen und mittleren Körbchengrößen ein optischer Gewinn war. Vor allem aber legten sie die Röcke ab und liefen in denselben Jeans herum, die schon für die Männer zum Symbol einer neuen Generation geworden war.
Früher war ja die Universität eine reine Männerdomäne. Nur selten verirrte sich ein weibliches Wesen hier her. Mädchen gingen damals in die Haushaltsschule, wo sie lernten, wie man für den Mann kocht und seine Wäsche wäscht. Vor der Hochzeit machte sie sich für ihn fein und er sah sie in ihren besten Kleidern. Danach meist nur noch in der Küchenschürze. Aber die hat sie, wie gesagt, jetzt gegen die Jeans eingetauscht. Und damit trifft man sie mittlerweile in größerer Zahl auch an der Uni an. Was kein Nachteil ist, denn intelligentere Frauen sind meist auch besser im Bett. Vor allem aber haben sie dafür gesorgt, dass die Uni keine reine Männerversammlung mehr ist.
Aus den wilden Kommunen sind mittlerweile brave WGs geworden. Nicht, weil unter angehenden Akademikern jeder mit jedem schläft, sondern schlicht und einfach aus Notwehr gegen den allgegenwärtigen Wohnraummangel. Berlin und all die anderen Universitätsstädte sind daher voll mit Zwei-, Drei- oder Vierzimmer-Wohnungen, in denen eine Handvoll Studenten gemeinsam büffelt und wohnt. Wobei sich dort keiner Gedanken darüber macht, ob es im Bad nur Rasierapparate gibt, oder auch Tampons und tausend Cremedosen. Doch wer heute eine Studentenbude teilt, geht noch lange nicht miteinander ins Bett. In jeder Bettenburg auf Malle wird vermutlich im 21. Jahrhundert mehr kopuliert als in studentischen Wohngemeinschaften.
Dennoch ist die Zeit der Ausbildung für die meisten Männer die Sturm- und Drangzeit schlechthin. Es ist die Zeitperiode, in der sie öfter Sex haben als sie vermutlich je wieder haben werden. Nachdem wir in einer Generation leben, in der die Spaßbremse Religion keine Bedeutung mehr hat, spricht eben nichts mehr dagegen, einfach das zu tun, wonach einem ist. Mithilfe von Pillen oder Plastikwaren bleibt das Vergnügen ohne Folgen und da die wilde Woodstook-Generation von gestern mittlerweile zur etablierten Oma- und Opageneration herangealtert ist, ist auch mit entrüsteten Eltern nicht mehr zu rechnen. Ganz im Gegenteil. Wir leben in einer Zeit, in der besorgte Mütter schon ihren 12-jährigen Töchtern die Pille geben, damit die keine Dummheiten machen und verliebt bis über beide Ohren Nachwuchs produzieren, während sie noch die Schulbank drücken. Beste Bedingungen also für die Generation zwischen Abi und Uni, sich noch einmal so richtig auszutoben.
Die Nachkriegsjugend hatte noch ein richtig schlechtes Gewissen, wenn das erste linkische Sexabenteuer noch vor der Hochzeitsnacht stattgefunden hatte. Spätere Generationen mussten Vaters Käfer irgendwo am Waldrand parken und die unbequemsten Positionen ausprobieren, nur damit zusammenfindet, was zusammenpasst. Selbst in den 80er Jahren hatten die meisten Teenies bestenfalls Petting-Erfahrung, bevor sie das Abi erreicht hatten. Für die Jüngeren unter euch: Petting ist alles, was man mit Händen und Fingern machen kann. Also wenn seine Hand unterm BH oder im Höschen verschwindet und sie bestenfalls sein Ding in die Hand nimmt.
Im Porno-Zeitalter wissen schon die Zwölfjährigen, worum es geht, die Sechzehnjährigen haben die ersten Erfahrungen bereits hinter sich und spätestens im Studentenalter gehört es einfach dazu, dass man miteinander ins Bett geht, wenn man sich sympathisch findet und die Triebe danach verlangen. Die Praxis ist dann zwar noch lange kein Kreuz- und Querverkehr und auch eine Massenorgie zum Partyausklang ist eher die Ausnahme. Aber die Zeit zwischen zwanzig und dreißig ist doch eher von kurzfristigen Paarbildungen geprägt. Beziehungen also, die nur solange Bestand haben, solange die Hormone schwingen und der Reiz des Neuen noch nicht verflogen ist.
Es ist die Zeit, in der die Körper noch unverbraucht sind und auch ein unterdurchschnittlich aussehendes Weib durchaus noch genügend Reize ausstrahlt, um einen Mann zu einem One Night Stand zu verleiten. Die Zeit, in der ein einigermaßen attraktiver Mann von so viel Frauen umgeben ist, dass es es schon die männliche Neugier verhindert, sich auf eine Einzige zu beschränken. Die Zeit, in der sich Männer austoben und Frauen Erfahrungen sammeln.
Klar sind die jungen Frauen alle emanzipiert. Zumindest behaupten sie es und glauben vermutlich sogar selbst dran. Doch das Jahrtausende alte Paarungsverhalten hat auch die Frauenbewegung nicht verändern können. Frauen sind noch immer auf der Suche nach dem einen, starken, männlichen und erfolgreichen Typen, der das Zeug dazu hat, den Beschützer und Versorger zu spielen. Der Unterschied ist nur, dass sie heute nicht mehr unbedingt geduldig warten, bis der einfach ihren Weg kreuzt, sondern lieber ihrem Schicksal ein wenig auf die Sprünge helfen. Denn das Leben ist kurz und schnappe ich mir nicht das begehrte Alphamännchen, holt ihn sich eben eine Rivalin.
Auch Männer kennen natürlich das uralte Spiel und mit jeder neuen Betterfahrung werden sie besser darin, seine Regeln erfolgreich auszuspielen. So ganz nebenbei lernen Sie dabei auch die ganze Vielfalt der Weiberwelt kennen und entwickeln im Laufe der Zeit ihre ganz eigenen Vorlieben. Während Opa seine Liebste bis zur Hochzeitsnacht noch nie nackt gesehen hat und sie dann so nehmen musste, wie sie die Natur eben geschaffen hatte, kann sein Urenkel über so viel Dummheit nur lachen.
Er weiß nämlich lange bevor er das dritte Lebensjahrzehnt erreicht hat, dass Titten nicht gleich Titten sind und keine Möse wie die andere ist. Spätestens nach der Zehnten, die er in allen Details begutachten konnte, ist ihm klar geworden, worauf er ganz besonders steht und was ihn eigentlich kalt lässt. Die einen tendieren dabei zum Muttertier mit großen Eutern, breiten Hüften und einem prächtigen Arsch. Andere stehen eher auf den sportlichen Typ mit straffer Haut und festem Po. Aber auch die niedlich Kleinen, die knabenhaft Schlanken und die drallen Dicken finden ihre Liebhaber. Denn solange ihr Körper noch jung und unverbraucht ist, ist fast jede Frau reizvoll auf ihre eigene Art. Und der Mann von heute hat sie alle ausprobiert, bevor er sich ganz sicher ist, worauf er sich festlegen will.
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