Warum Reiche reich sind und andere arm bleiben
Die Reichen kennen keine Geldsorgen. Sie leben in Luxus, fahren dicke Autos, reisen First Class und logieren in 5-Sterne-Hotels. Sie haben ein dickes Bankkonto und weit mehr Geld als sie jemals ausgeben könnten. So mancher fragt sich daher, weshalb die Reichen nicht mehr von ihrem Geld abgeben. Das würden sie doch ohnehin kaum spüren. Andere denken, dass es einfach unmoralisch ist, dass eine dünne Oberschicht so viel Geld hat, wie der gesamte Rest der Welt zusammen. Doch beide Fraktionen sitzen einem großen Irrtum auf.
Der kleine Angestellte hat normalerweise zwei Konten: Ein Girokonto, auf das sein Gehalt eingezahlt wird, und ein Sparkonto, auf dem er etwas Geld für größere Anschaffungen lagert. Vor allem aber hat er Schulden. Für das Auto, das er vor zwei Jahren gekauft hat. Für das tolle Multimedia-System mit Riesenbildschirm. Und vor allem für das Haus, in dem er wohnt.
Wenn er an Vermögen denkt, dann denkt der abhängig Beschäftigte vor allem an Geld. Und er glaubt tatsächlich, dass die Reichen nicht nur ein paar Tausend Euro auf dem Konto haben, die bis zum Monatsende auf ein paar hundert geschrumpft sind. Nein, sie haben Millionen auf der Bank liegen und brauchen Finanzberater, um überhaupt noch durchzublicken. Und sie verstecken ihr Geld in Steueroasen, damit sie nichts davon dem Finanzamt abgeben müssen.
Das begründet die Vorstellung, die Reichen bräuchten nur etwas von ihrem Reichtum abzuheben, um es den Armen zu geben. Oder sie sollten extrem viel Steuern zahlen, damit die Allgemeinheit etwas von ihrem Reichtum hat. Dann sähe die Welt gleich viel besser aus und niemand müsste mehr hungern. Eine Vorstellung, die zwar plausibel klingt, aber mit der nichts zu tun hat.
Ein Reicher wäre nämlich ziemlich blöd, wenn er sein Vermögen einfach in Form von Geld auf irgendwelchen Bankkonten horten würde. So blöd wie die meisten Durchschnittsverdiener, die ihr Geld in Sparverträge stecken und glauben, sie hätten es „angelegt“.
Geld auf der Bank ist nämlich die unsinnigste Anlageform überhaupt. Schlechter sind höchstens noch von Lebensversicherungen, aber die sind ja glücklicherweise aus der Mode gekommen. Das beginnt schon damit, dass Geld auf irgend einem Sparkonto dem Besitzer des Kontos eigentlich gar nicht gehört. Es gehört der Bank und es gibt einen Vertrag, der genau regelt, wie viel der Bankkunde innerhalb einer bestimmten Zeit abheben kann. Und das ist weit weniger, als er vielleicht geglaubt hat (denn wer liest schon das Kleingedruckte).
Dazu kommt, dass Geld von heute auf morgen weg sein kann. Komplett weg. Verschwunden. In Luft aufgelöst. Der Staat muss nämlich nur an seine Grenzen kommen und eine Währungsreform machen. Das hat es schon so oft gegeben, dass man eigentlich darauf zählen kann. Und es geschieht meist völlig ohne Vorwarnung (zumindest keine, die Otto Normalbürger zu deuten versteht). Es steht einfach am Montagmorgen in der Zeitung und nichts geht mehr. Die Bankschalter sind geschlossen und die Bankautomaten bleiben stur. Danach kommt die herbe Erkenntnis, dass die zehntausend Euro Erspartes plötzlich nur noch tausend Euro wert sind.
Zumindest für alle, die den Unterschied zwischen Geld und Vermögen nicht verstanden haben.
Denn genau das haben die Reichen und ihre Finanzberater erkannt: Einkommen darf man nicht in Geld anlegen. Man muss es investieren. Das Bankkonto eines Reichen mag daher etwas üppiger gefüllt sein, als das eines kleinen Angestellten. Aber Millionenbeträge liegen da ganz sicher nicht herum. Denn Leute, die sich auskennen, sparen nicht. Sie investieren. Investiertes Vermögen kann nämlich keine Bank sperren. Es kann auch kein Staat entwerten. Vor allem aber nimmt sein Wert ständig zu, während Spargeld allein durch die Inflation aufgefressen wird.
Nehmen wir als Beispiel einen ganz Reichen. Nehmen wir Bill Gates, der es bekannterweise zum mehrfachen Milliardär gebracht hat. Natürlich hat er genügend Geld auf der Bank, um sein tägliches Leben finanzieren zu können. Aber seine Milliarden stecken vor allem in dem Unternehmen, das er selbst gegründet hat. Konkret: Bill Gates ist der größte Aktionär von Microsoft. Ihm gehört nicht das gesamte Unternehmen, aber vermutlich ein großer Teil davon.
Und dieses Vermögen schwankt ständig. Ist der Aktienkurs hoch, ist Bill Gates reich. Steigt er, wird er noch reicher. Sinkt er, verliert er Vermögen. So ist das eben im Leben. Auch ein Handwerker hat sein Vermögen in seiner Firma stecken. Wie viel das tatsächlich ist, wird er allerdings erst erfahren, wenn er sie verkaufen will. Wer in eine Aktiengesellschaft investiert hat, kann immerhin auf den aktuellen Kurs gucken und ihn mit der Anzahl seiner Aktien multiplizieren.
Damit wird deutlich, dass ein Reicher nicht einfach ein paar Millionen von seinem Vermögen nehmen kann, um es an die Armen zu verteilen. Die anderen Reichen denken nämlich genauso wie Bill Gates. Auch ihr Vermögen liegt nicht auf der Bank. Es steckt in Aktien. Oder in Immobilien. Oder in anderen Dingen, die vermutlich ihren Wert nicht verlieren, sondern eher an Wert zunehmen werden.
Denn, wie gesagt, nur kleine Leute tragen ihr Geld auf die Bank. Weil sie lieber Geld anlegen, anstatt es zu investieren. Das halten sie für sicher, auch wenn es ein Verlustgeschäft ist.
Aber nehmen wir einmal an, ein Reicher würde sich entscheiden, den größeren Teil seines Vermögens aufzulösen und unter den Armen zu verteilen. An seinem Lebensstil würde sich dadurch vermutlich nicht wirklich etwas ändern. Aber das Leben Anderer würde sich drastisch verändern.
Würde Bill Gates zum Beispiel, auch nur die Hälfte seiner Anteile an Microsoft verkaufen, um das Geld zu verschenken, würde damit schlagartig der Kurs der Microsoft-Aktie in den Keller sacken. Börsen funktionieren nämlich nach dem simplen Prinzip von Angebot und Nachfrage und ein Überangebot drückt automatisch auf den Kurs. Das ist gut für den Käufer, aber schlecht für den Verkäufer. Gates würde also einen Teil seines Aktienerlöses schlicht und einfach anderen Aktionären schenken. Im schlimmsten Fall würde Microsoft den Kurseinbruch nicht überleben und alle hätten alles verloren.
Außerdem: Nehmen wir an, ein deutscher Reicher würde sich entschließen, eine Milliarde seines Vermögens in Geld zu verwandeln, um es auf die 4,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger zu verteilen. Das würde jedem Bedürftigen gerade mal 200 Euro bescheren und das auch nur ein einziges Mal. Man darf nämlich nicht die Dimension der Situation aus den Augen verlieren. Die Reichen sind nur wenige und die Armen ganz viele.
Die Reichen sollen etwas von ihrem Reichtum abgeben ist daher eine ziemlich dumme Forderung. Dümmer ist nur die Idee, sie sollen noch mehr Steuern zahlen. Denn dann hätten die Armen gar nichts davon und das Geld würde schlichtweg irgendwo versickern. Steuern darf nämlich der Staat nach Gutdünken ausgeben und die sozial Schwachen haben da sicher keine Priorität.
Wobei schon angedeutet wurde, dass kleine Leute oftmals nur deshalb klein bleiben, weil sie die Regeln des Spiels nicht erkannt haben. Wer Geld zur Bank trägt, wird nämlich im Laufe der Jahre nicht vermögender, sondern ärmer. Und wer sich nie mit den Instrumenten vertraut macht, mit denen man Geld investiert, der wird eben auch nie Vermögen haben. Millionär zu werden ist nämlich im Grunde genommen kein Hexenwerk.
Nur zum Vergleich: wer seit seinem 20. Lebensjahr 200 € pro Monat auf ein Sparkonto legt, bekommt dafür heute ein halbes Prozent Zinsen. Mit fünfzig hat er dann noch nicht einmal 80.000 €. Legt er hingegen sein Geld in Wertpapieren an und lässt die Wirtschaft damit arbeiten, sollte am Ende ein Vermögen von über 3 Millionen stehen. Das wird zwar jeder Banker verneinen. Aber für die Broker in der Wertpapier-Abteilung ist das tägliche Realität.